Hagen
Großes Vergnügen
Offenbachs „Blaubart“ im Hagener Theater
Premiere am 28.10., besuchte Vorstellung am 9.11.2024
Das Theater hätte bei der zweiten Vorstellung voller sein können, und das sollte bei allen folgenden Vorstellungen so sein. Wir haben es schließlich nicht nur mit einer hervorragenden Operette zu
tun, sondern man kann sich köstlich amüsieren, sich aber auch über eine intelligente Umsetzung durch die Regie freuen.
Es geht um den berüchtigten Ritter Blaubart, der im zugrunde liegenden Märchen von Perrault alle seine Ehefrauen kurz nach der Hochzeit umbringt und dann ganz schnell wieder heiratet. Jacques
Offenbach parodiert das in jeder Hinsicht. Dadurch gelingt es ihm, zu kritisierende Figuren seiner Zeit auf die Bühne zu bringen und sie lächerlich zu machen. Mit diesen Gestalten des 19.
Jahrhunderts können wir heute nichts mehr anfangen, mit ihren Mängeln und miesen Charakterzügen schon, denn die gibt es noch, manchmal auch noch ausgeprägter als damals. Um verstanden zu werden,
müssen sie aber in die heutige Zeit übertragen werden. Das hat einen gewissen utopischen Charakter, haben wir es doch auch gerade heute mit mächtigen, aber egomanischen und toxischen Politikern
zu tun.
Regisseur Potocki lässt die Geschichte in Italien spielen. Mafia und Katholizismus sind eng verzahnt, was ein großes Bild der keuschen Maria am Anfang zeigt. Zwei patriarchalische und
narzisstische Machos stehen im Mittelpunkt. Da ist einmal der Ritter Blaubart, zum anderen der König Bobèche. Blaubart hat gerade seine fünfte Frau entsorgen lassen, Bobèche seine Tochter
wiedergefunden und als zu heiratende Thronerbin installiert, weil sein für die Nachfolge ursprünglich vorgesehener Sohn nichts taugt. Bobèche sieht aus wie Politiker und Pressezar Berlusconi und
handelt auch so, Blaubart ist Besitzer eines französischen Restaurants mit mafiösem Hintergrund, ist aber mächtiger als Bobèche/Berlusconi, weil er eine Privatarmee befehligt. Vor allem bei
Bobèche wird sonnenklar, dass er bei seinen Bunga-Bunga-Parties von Speichelleckern umgeben ist, die sich alles gefallen lassen, um von seinen Wohltaten zu profitieren. Selbst seine Frau, die
eigentlich nichts mehr von ihm wissen will, bleibt bei den Parties noch dabei. Und er ist so eifersüchtig auf sie, dass er alle ihre vermeintlichen oder tatsächlichen Liebhaber, fünf an der Zahl,
umbringen lässt.
Blaubart dagegen hat ständig Lust auf neue Frauen, lässt sich von den abgelegten aber nicht scheiden, sondern lässt sie umbringen. In dieser Inszenierung herrschen also die machtvollen
Macho-Männer, die am Schluss aber entlarvt und lächerlich gemacht werden. Nebenbei: in anderen Inszenierungen hat man für diese beiden Rollen andere passende Politiker eingesetzt, in Lyon 2019
z.B. als Blaubart den nordkoreanischen Kim-Jong-un, und als Bobéche – ja, kaum zu glauben – Donald Trump.
Schon klar: Die beiden begehen die Morde nicht selber, sondern haben dafür ihr Personal. Bobèches Handlanger heißt Graf Oscar, singt zwar davon, dass man sich immer nach oben bücken muss, um
voranzukommen, verhält sich offiziell aber selbst so. Insgeheim gehorcht er seinem Herrn aber nicht, weil er die zu ermordenden Männer nicht umbringt, sondern versteckt. Und Blaubarts Mordknecht
ist der Alchimist Popolani (Popo genannt, was er gar nicht mag), der aber die abgelegten Damen nicht getötet, sondern in Gefrierschränken untergebracht hat. Die äußern auch nach ihrer
Wiedererweckung in jeder Hinsicht äußerste Zufriedenheit mit Popolani. Schon mal vorausgeschickt: beim plötzlich sich einstellenden Happy End gibt es sieben Hochzeitspaare.
Den beiden mächtigen Superpatriarchen wird eine starke Frau gegenübergestellt: Boulotte (wird mit etlichen Wortspielen versehen, klingt ja auch so ähnlich wie Boulette). Die ist eine unangepasste
Frau aus dem Volk, lässt sich nichts gefallen und tut was sie will. Sie küsst lieber intensiv den Mann, der ihr gefällt, und nicht ihren Ehemann, denkt nicht daran, Blaubarts nächstes Opfer zu
werden und ruft sogar zur Revolution auf. Sie sorgt letztlich dafür, dass den beiden mächtigen Männer am Schluss die Hosen ausgezogen werden und sie ganz klein werden.
Neben Bobèches Frau, Königin Clementine, die sich von ihrem Gatten wenig gefallen lässt, aber bei ihm bleibt, gibt es noch das Liebespaar Hermia und Saphir. Die zu ihrem Vater außerordentlich
kratzbürstige Hermia ist zu ihrem Geliebten deutlich netter, muss dann aber dann doch widerwillig Blaubart heiraten, weil der die Macht hat. Das wird aber dann doch verhindert. Saphir (oder
Safyr) ist in dieser Inszenierung Agent Bobèches, der dessen Tochter wiederfinden soll und sich in sie verliebt, als diese noch Fleurette genannt wird. Er muss sich aber immer wieder gegen die
Liebesgelüste Boulottes zur Wehr setzen.
Die nicht ganz geradlinige Geschichte wird von Regisseur Holger Potocki sehr nachvollziehbar in Szene gesetzt, sehr humorvoll und mit saloppem Umgangston. Benutzt werden aber auch sarkastische
und absurde Elemente, viele kleine Gags ergänzen die Geschichte (z.B. ein katholischer Priester als Mafiabeichtvater mit Zombie-Masken im Altar und ein echter Zombie am Schluss). Die beiden
Machos werden auch schon vor ihrer kompletten Entlarvung durch subtile Kleinigkeiten von ihrem hohen Sockel heruntergeholt. So fällt Blaubart öfter von seinem (natürlich blauem) Pferd, und die
ständige Familienshow von Bobèche/Berlusconi geht vor laufenden Kameras ständig daneben. Unterstützt wird der gesamte Ablauf durch Lena Brexendorffs variables Bühnenbild.
Dazu kommt, dass Potocki und der Dirigent Rodrigo Tomillo, die seit 15 Jahren zusammenarbeiten, nicht nur Offenbach spielen, sondern noch weitere Stücke in den musikalischen Ablauf eingefügt
haben. Diese dienen einmal dazu, Handlungselemente zu beleuchten (so z.B. die „Morgenstimmung“ von Grieg bei der Erweckung Boulottes oder dem Lied „Bella Ciao“ beim Aufstand der Frauen) und zu
verstärken. Rodrigo Tomillo ließ sein Orchester bravourös und schmissig aufspielen, hielt alles scheinbar mühelos zusammen.
Diese Elemente gaben auch dem Hagener Ballett Gelegenheiten für fulminante Auftritte. die wiederum das Geschehen auf der Bühne kommentieren und weitertreiben. Die Tänze des Balletts waren
hervorragend, vergnüglich, spritzig-ironisch und bekamen mehrfach Sonderapplaus. Zum Brüllen: die „Schwanensee“-Parodie mit passenden Schwanen-Trikots!
Bleibt noch die Sängerinnen und Sänger zu loben. Bemerkenswert ist allemal, dass das Hagener Theater bis auf zwei Ausnahmen alle Rollen aus dem eigenen Ensemble besetzen konnte. Diese Ausnahmen
waren Santago Bürgi in der Titelpartie und Hagen-Goar Bornmann als sein Handlanger Popolani. Aus dem Ensemble spielte brillant Richard von Gemert den König Bobèche, dessen ausführendes Organ war
Kenneth Mattice als Graf Oscar. Seine Königin Clementine stelle Sophia Franke dar, und das Liebespaar Hermia und Saphir wurde von Ofeliya Pogosyan und Anton Kuzenok umwerfend gespielt. Den
meisten Beifall erhielt Angela Davis als starke Boulotte. Dazu kamen etliche Chorsolistinnen und -solisten als scheinbar ermordete Frauen und Männer, schließlich noch der gesamte Chor. Alle
zeigten große Spielfreude und hervorragenden Gesang. Alles klappte bis ins kleinste Detail.
Großer Beifall am Schluss. Ich wünsche jeder Vorstellung ein volles Haus. Sylvester gibt es sogar zwei Vorstellungen. Das wäre doch ein brillanter und überaus amüsanter Jahresabschluss!
Fritz Gerwinn, 10.11.2024
Weitere Vorstellungen: 17.11., 20.11., 29.11., 31.12.(2x!)2024, 10.1., 22.1., 27.2.2025
Kunstpalast Ehrenhof Düsseldorf
Werke aus rheinischen Privatsammlungen
Rund 120 Werke Gerhard Richters sind in der Ausstellung in der Kunsthalle zu sehen.
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Wuppertal
Die lustigen Weiber von Windsor
„Witz, heitre Laune, List und Übermut“, - rasante Inszenierung, tolle Musik
Otto Nikolais „Die lustigen Weiber von Windsor“ im Wuppertaler Opernhaus.
Noch am nächsten Tag klingen die Melodien Nikolaís nach, ich entdecke, dass ich sie schon oft gehört habe, aber eben schon lange nicht mehr auf der Opernbühne erlebt habe. Nikolai hat eine Menge
Hits geschrieben, mit großem Wiedererkennungseffekt. Und wenn das dann auch noch spritzig und intelligent serviert wird in einer Inszenierung, die alles genau auf den Punkt bringt, wird das ein
toller Abend, in dem viel gelacht werden kann. Und wenn Sängerinnen und Sänger hervorragend spielen und singen und mit dem Orchester harmonieren, bleibt auch nicht aus, dass das Publikum sehr oft
Zwischenbeifall spendet und dadurch die Leistungen aller Mitwirkenden noch einmal befeuert.
So war das bei der Premiere der „Lustigen Weiber von Windsor“ von Otto Nikolai am 1. Juni im Wuppertaler Opernhaus. Schon in der Ouvertüre ging es los. Jede Menge Leute bevölkerten die Bühne,
betraten und verließen Häuser, kauften ein, fegten die Straße, gingen spazieren, brachten Briefe, demonstrierten, guckten aus dem Fenster. Das lag auch an dem geschickt angelegten Bühnenbild.
Dieses – Teil des Innovationsprojektes „Modular Stage Zero“- zeigte die Lebenswelt der Kleinstadt Windsor: In der Mitte die beiden Häuser der Familien Fluth und Reich, links davon ihr
gemeinsamer Pelzladen, rechts eine Kneipe mit Zimmern darüber. Aus einem guckt John Falstaff auf das muntere Treiben unter ihm, auch die danach auftretenden Personen sind schon alle da.
Z.B. ist der Geliebte der Reich-Tochter Anna Briefträger mit gelber Mütze. Dieses Bühnenbild wird in den folgenden Szenen geschickt und der jeweiligen Situation angemessen verändert, eine
gute Grundlage für die Komödie.
Dann geht es also los. Der abgewirtschaftete Ritter Falstaff macht mit zwei gleichlautendenBriefen Frau Fluth und Frau Reich an. Die merken das und legen den selbstverliebten und narzisstischen
Ritter zweimal rein. Einmal landet er unfreiwillig in der Themse, beim zweiten Mal wird er verprügelt. Verprügelt wird er auch beim dritten Mal, als er in aller Öffentlichkeit bloßgestellt wird,
damit er nicht weiter den großen Macker spielen kann. Dazwischen gibt es noch weitere Handlungsstränge. Mit ihren Aktionen wollen die beiden Frauen den krankhaft eifersüchtigen Herrn Fluth
heilen, das scheint im dritten Akt auch gelungen zu sein. Und Reichs Tochter Anna gelingt es, ihren armen Geliebten Fenton zu heiraten, obwohl ihre Eltern jeweils einen anderen für sie vorgesehen
hatten. Der muss nicht nur als Briefträger, sondern auch als Gärtner arbeiten. Mittendrin wird ein Wettsaufen zelebriert, als die Männer des Dorfes auf dem Weg zur Jagd die Kneipe aufsuchen, in
der Falstaff wohnt. Da säuft der trinkfeste Ritter zwei großkotzige Männer unter den Tisch, einer davon muss sich deshalb auch noch ergiebig erbrechen. Deutlich wird, dass dieses fragwürdige
Männerbild wohl auch heute noch nicht ganz überwunden ist. Ich musste jedenfalls dabei an Grönemeyers „Männer“ denken.
All dies hatte die Regisseurin Anja Kühnhold (mit Unterstützung von Anna Sophie Blersch, Bühne und Kostüme) mit leichter Hand und punktgenau inszeniert, zum großen Vergnügen des Publikums. Dabei
hatte sie besonders darauf geachtet, die musikalischen Impulse aus dem Orchestergraben in die Aktionen auf der Bühne umzusetzen und dies immer wieder leicht zu übertreiben und zu ironisieren. Das
kann man schon im ersten Duett (Frau Fluth und Frau Reich) gut verfolgen. Anja Kühnhold inszeniert an vielen Stellen aber präzise bis ins kleinste Detail. Beispiel: Als Falstaff als Muhme
(Wahrsagerin) verkleidet das Fluthsche Haus verlassen soll und dabei verprügelt wird, fällt er für einen Moment aus der Rolle und will zurückprügeln, bevor er merkt, dass es dadurch nur noch
schlimmer wird. Solche Regieeinfälle, zum großen Teil aus der Musik abgeleitet, gibt es zuhauf.
Die Regisseurin stellt sich aber auch die entscheidende Frage, ob und wie dieses Stück noch in unsere Zeit passt und was es uns heute noch zu sagen hat. Darauf gibt sie Antworten oder besser
Hinweise zum Nachdenken. Schon am Anfang merkt man, dass Anna Reich den Pelzladen ihrer Eltern nicht übernehmen wird, im Gegenteil. Sie ist Aktivistin gegen den Pelzhandel und hat ihren Geliebten
Fenton wohl dabei kennengelernt. Sie fällt dann aber in traditionelle Rollen zurück, als sie meint, nichts gegen den Willen ihrer Eltern tun zu können, die sie mit einem anderen verheiraten
wollen („Ich habe keinen Willen“, singt sie). Deshalb schreibt Fenton „Free Anna“ auf ein Schild. Das gelingt ja auch, und zwar ihr selber, weil sie es mit List schafft, am Schluss Fenton zu
heiraten und nicht einen der anderen ungewollten Verehrer.
Und dann werden ganz am Schluss noch einmal Schilder hochgehalten, nach der betörenden Nymphen-Szene mit weißen Lampen (Wer denkt da nicht an Mendelssohns „Sommernachtstraum“, dem auch die Musik
Nikolais in dieser Szene nahe ist) und der Verprügelung Falstaffs. Zuerst ein Schild mit einem Fragezeichen, dann zwei mit „Happy“ und „End“. Gerade das Fragezeichen ist wichtig, denn eigentlich
ist ja nichts geklärt, auch wenn wir erst einmal annehmen wollen, dass Anna und Fenton miteinander glücklich werden. Aber: was ist mit Falstaff? Wird er jetzt ein besserer Mensch, nachdem er
verprügelt und öffentlich an den Pranger gestellt worden ist. Und ist diese Art, mit einem Menschen umzugehen nicht ohnehin abzulehnen? Und ist die Eifersucht von Herrn Fluth tatsächlich auf
wundersame Weise verschwunden? Kleine Denkanstöße.
Das alles kann nur gelingen, wenn Orchester und Dirigent und vor allem die Sängerinnen und Sänger mitspielen. Das machten alle und machten die Inszenierung zu einem tollen Abend. Schon in der
Ouvertüre zeigte sich das Orchester unter Johannes Witt von seiner besten Seite. Auch im Zusammenspiel mit den Sängern glückte alles, niemals wurden sie überdeckt, der komödiantische
Charakter wurde präzise getroffen.
Dies schafften auch alle Solistinnen und Solisten auf der Bühne. Bemerkenswert war, dass bis auf eine Ausnahme alle Rollen mit eigenen Kräften und aus dem Opernstudio besetzt werden können. Der
einzige Gast war Michael Ronan als Herr Reich, der seine Rolle mit markantem Bass gut ausfüllte. Aus dem Opernstudio kamen die beiden Verehrer Annas, Ju Hyeok Lee als Junker Spärlich und
Yangcheng Chen als Dr. Cajus, die ihre Rollen ebenfalls wunderbar bewältigten. Erik Rousi als Falstaff war in jeder Hinsicht eine Wucht, sang und spielte bravourös, seine raumfüllende Stimme
bezeugte jeden Moment das trotz aller Niederlagen und Demütigungen ungebrochene Selbstbewusstsein des heruntergekommenen Ritters. Zachary Wilson als krankhaft eifersüchtiger Herr Fluth überzeugte
ebenfalls in Spiel und Gesang. Und einen besonderen Genuss boten die beiden befreundeten Frauen, Margaux de Valensart als Frau Fluth und Edith Grossman als Frau Reich. Sowohl in Solo-Arien als
auch in Duetten trafen sie perfekt den passenden kömödiantischen Ton und spielten dabei noch hinreißend. Bei zwei Personen wurde der Schlussbeifall noch etwas lauter. Das war einmal bei Sangmin
Jeon, der die lyrischen Stellen wunderbar über die Rampe brachte, aber auch große Durchschlagskraft als Tenor zeigte. Und als Publikumsliebling entpuppte sich Natalia Labourdette als Jungfer Anna
Reich, die ihre Entwicklung besonders in ihrem Gesang zeigte. Sang sie zuerst rollengemäß mädchenhaft und quirlig, offenbarte sie im weiteren Verlauf weitere Facetten ihrer Stimme bis in
die höchsten Höhen, zeigte damit ihren Weg vom abhängigen Mädchen zur selbstsicheren jungen Frau überzeugend auf.
Also: alles perfekt, sehr gute Zusammenarbeit aller Mitwirkenden, ein vergnüglicher Abend, aber durchaus mit Tiefgang. Wer nicht hingeht, verpasst einen großen Opernabend.
Fritz Gerwinn, 3.6.2024
Weitere Vorstellungen: 6.6. (11 Uhr!), 7.6., 16.6., 7.7.2024
Wiederaufnahme in der Saison 24/25
Hagen
Was für eine tolle Oper!
„Lady Macbeth“ von Dimitri Schostakowitsch im Hagener Theater
Premiere am 18.5.2024
Warum wird diese Oper nicht öfter gespielt? Schostakowitschs „Lady Macbeth von Mzensk“ ist eine Entdeckung! Und wenn sie dann noch so toll aufgeführt wird! Langer Beifall am Schluss der Premiere, für Sängerinnen, Sänger, Chor, nochmal ansteigend für Dirigent und Orchester, nur mit den Leistungen des Regieteam waren einige wenige nicht einverstanden, ich schon. Die gute Zusammenarbeit aller Mitwirkenden war von Anfang an spürbar, um Schostakowitschs Oper sinnfällig und auch zum Nachdenken anregend auf die Bühne zu bringen.
Besonders hervorzuheben ist die Leistung des Philharmonischen Orchesters Hagen unter seinem Chef Joseph Trafton. Das spielte die brillante Musik des von Stalin gebeutelten russischen Komponisten in fantastischer Weise, was den starken Beifall am Schluss vollkommen rechtfertigte. Dabei ist die Musik von Schostakowitsch keineswegs von einer direkt erkennbaren persönlichen Handschrift geprägt. Stattdessen verwendet sie collagenartig die unterschiedlichsten Stile. Das beinhaltet selbstverständlich auch längere arienartige Passagen und Zwischenspiele in erweiterter Tonalität, Teile, die durch ihren Dissonanzreichtum an Schönberg und die Wiener Schule denken lassen, aber auch revueartige Unterhaltungsmusik und weitere Stile. Oft schlägt es von einem zum anderen Stil plötzlich um, oft geht es auch ineinander über, oder ein Unterhaltungsmusik-Zitat erscheint überraschend in einer ernsteren Passage. Das macht seine Musik schon sehr satirisch und sarkastisch, zumal er auch ältere Musik zitiert, die aber sofort wieder konterkariert wird, oder bewusst Kitsch mit Streicherkantilenen und Glöckchen liefert. Auch sind bestimmte Aktionen sehr naturalistisch komponiert, ein Höhepunkt in dieser Hinsicht ist der Geschlechtsakt zwischen Katharina und Sergej, bei dem die Posaunen keinen Zweifel an dem lassen, was passiert. Und kurz danach folgen noch Anklänge an Liebesduette aus romantischen Opern. Die gesamte Lautstärkeskala wird benutzt. Auffällig sind Motive und charakteristische Soli, die nur von einem einzigen Instrument gespielt werden und dann auf der Bühne umgesetzt werden. Demgegenüber stehen Passagen in einer geradezu brutalen Lautstärke. Dies alles setzte Trafton mit seinem Orchester mit äußerster Präzision und riesigem Engagement hervorragend um.
Die Regie folgte der Unterschiedlichkeit der Musik, wechselte ab zwischen realistischer Darstellung und Groteske. So wurden die Leiden und Emotionen der Hauptperson, Katerina Ismailova, durchaus realistisch ausgespielt, auch das schreckliche autoritäre Gehabe ihres Schwiegervaters Boris kommt ungebrochen über die Rampe. Und auch, wenn Katerinas Ehemann Sinowi von ihr und ihrem Liebhaber Sergej ermordet wird, hat das realistische Züge. Andererseits wird diese Realistik wieder konterkariert. So werden die Szenen, in denen extreme Gewalt dargestellt wird, zu Nummern einer Revue. So geschieht das in der Szene, in der die Köchin Axinja von Sergej und der gesamten Mannschaft des Kaufmannshauses misshandelt wird, und auch in der Szene, als Sergej ausgepeitscht wird. Besonders grotesk ist die Szene, nachdem Katerina ihren Schwiegervater vergiftet hat. Der herbeigeeilte Pope achtet nicht auf die letzten Worte Boris`, mit denen er seine Mörderin entlarvt, sondern lässt diese heuchlerische Trauerworte verkünden und tanzt dann mit der gesamten Mannschaft des Hauses lieber eine Polka und singt dazu.
Die Oper ist somit in großen Teilen eine Satire mit massiver Gesellschaftskritik. Auch die Rolle der Frau kommt intensiv in den Blick. Sexualität ihnen gegenüber wird mit Gewalt praktiziert. So beginnt der Geschlechtsakt mit einer Vergewaltigung und geht dann erst über in einen trotzdem lustvoll erlebten Liebesakt. Die Tragik der Katerina wird in der gesamten Oper deutlich herausgestellt. Ihr Ehemann ist schwach, ihr Schwiegervater unterdrückt und kontrolliert sie, beleidigt und demütigt sie ständig, ihr Geliebter Sergej benutzt sie, verlässt und betrügt sie am Ende.
Dieses Vorgehen dient dazu, dass der Hauptaugenmerk nicht auf die reale Geschichte gerichtet ist, sondern weit darüber hinausgeht, als eine Art Allegorie erscheint über menschliche Schwächen, tyrannische Autorität, Versuche, ihr zu widerstehen oder ihr auszuweichen. Von der Regie besonders herausgearbeitet wird die Boshaftigkeit und absolute Empathielosigkeit der jeweiligen Gruppe. Die Arbeiter des Kaufmannshauses des autoritären Boris machen ungerührt bis begeistert mit, wenn die Köchin Axinja misshandelt und Sergej ausgepeitscht wird. Und in der letzten Szene machen sie die betrogene Katerina noch lächerlich, obwohl sie alle selbst als nach Sibirien Deportierte in einer Notsituation sind, ziehen schließlich ungerührt weiter, nachdem Katerina die neue Freundin Sergejs und sich selber umgebracht hat. Doppelte Böden also überall. Dazu passt, dass die bürgerliche Wohnungsidylle Katerinas äußerst brüchig wirkt, schließlich liegt ja ihr ständig schlafender Liebhaber statt ihres Mannes im Ehebett, der dann auch noch sichtbar als Leiche im Keller deponiert wird. Und so ist auch nachvollziehbar, dass die korrupte Polizeimannschaft als Sado-Maso-Truppe im Lederoutfit dargestellt wird, der Polizeichef seine willkürliche Macht mit aufreizenden Hüftbewegungen demonstriert.
Für einige nicht ganz leicht verständlich könnte sein, dass Francis Hüsers die Geschichte nicht in realistischen Kulissen ablaufen lässt, sondern drei verschieden Orte für das Geschehen wählt. Der erst Ort ist ein Varieté-Theater (mit Stalin-Bild), in dem Boris seinen ungehemmten „autoritären Charakter“ voll ausspielen kann. Diese Kulisse muss gedreht werden, um den Blick auf das karge Innere des Theaters freizugeben. Katerina hat zwar Bettzeug, aber nicht einmal ein Bett, so dass ihre Vergewaltigung durch Sergej sozusagen auf nacktem Boden stattfindet. Der zweite Ort ist die schon genannte bürgerliche, aber brüchige Idylle in einer kleinen Wohnung mit leuchtendem „Love“-Schild, aber einer Leiche im Keller. Der letzte Ort ist ein „Nicht-Ort“, Strafgefangene machen Rast auf dem Weg ins Straflager nach Sibirien, tragen ihre letzte Habe nur noch im Müllsäcken mit sich. Diese Szene wird eingeleitet durch einen veritablen Verfremdungseffekt: alle Mitwirkenden, egal, was sie vorher gespielt haben, ziehen sich auf der Bühne orange Sträflingsuniformen an.
Diese Oper ist nicht nur eine kompositorische Offenbarung, sondern auch eine musikalische Herausforderung. Dass das Orchester dies brillant erfüllte, habe ich schon am Anfang gesagt. Aber auch die anderen Mitwirkenden gaben ihr Bestes. Das gilt zuerst einmal für den Chor in seiner Gesamtheit. Aus ihm lösten sich aber sehr viele einzelne Solopartien, die sowohl sängerisch als auch darstellerisch hervorragend gelöst wurden. Ebenso fantastisch und die Doppelbödigkeit des Stücks betonend waren Kenneth Mattice als schwuler Polizeichef und Dong Won Seo als in Trauerangelegenheiten tanzender Pope. Anton Kuzenok als betrogener Sinowi gefiel besonders gut in der Abschiedsszene am Anfang nicht nur als Sänger, sondern weil er die konventionell erforderlichen Gesten wunderbar übertrieb. Wioletto Hebrowska als Sonjetka und Robin Grunwald als „der Schäbige“ boten sehr charakteristische Rollenprofile. Roman Payer als Sergej sang nicht nur klar und unangestrengt, sondern betonte durch Stimme und Spiel auch seinen Charakter des rücksichtlosen Frauenhelden. Insu Hwang zeigte dem Publikum mit markanter Stimme alle Schattenseiten seines autoritären Charakters, konnte in seiner zweiten Rolle am Schluss als „älterer Zwangsarbeiter“ mit versöhnlichere Töne seinen Mithäftlingen Mut machen. Viktorija Kaminskaite in der Hauptrolle der Katerina Ismailowa beeindruckte in jeder Hinsicht. Sowohl in den drei großen Auftritten zeigte sie sich der dramatischen Aussage verpflichtet, bewältigte ihre gesamte Rolle mit vokaler Variabilität und größter Eindringlichkeit, war auch darstellerisch äußerst intensiv und überaus vielschichtig. Ein Genuss! Gewaltiger Beifall.
Leider wird diese Oper nicht so oft gespielt, was kaum zu verstehen ist. In Hegen gibt es immerhin noch vier Vorstellungen dieser tollen Oper. Deshalb: unbedingt besuchen!
Fritz Gerwinn, 20.5.2024
Weitere Vorstellungen: 26.5., 12.6., 23.6., 28.6.2024
Essen
Philharmonie (28.04.2024)
Diana Damrau "Liebe, du Himmel auf Erden"
Melodien und Duette aus der Glanzzeit der Operette, dazu herrliches Frühlingswetter. Kann es etwas Schöneres geben? Herzlich begrüßte Intendantin Marie Babette Nierenz das Publikum in Essen. „Liebe, du Himmel auf Erden“, hieß das Motto des Konzertes. Die bekannte und mehrmals ausgezeichnete Sopranistin "Diana Damrau " lockte damit die Operettenfreunde in die Philharmonie. Betörende Walzerklänge, beeindruckende Orchesterstücke und feuriger Csárdás versprachen einige unbeschwerte Stunden.
Auf dem Programm standen beliebte Werke von André Messager, Emmerich Kálmán, Franz Grothe, Franz Lehár, Jacques Offenbach, Johann Strauß und Paul Lincke, darunter viele Ohrwürmer, oft gehört und nie vergessen, perfekt präsentiert von Diana Damrau, dem österreichischen Tenor Nikolai Schukoff und der NDR-Radiophilharmonie unter der Leitung von Dirk Kaftan.
Die wundervolle Klangreise führte in Metropolen, in denen die Operette einst ihre großen Erfolge feierte: Berlin, Paris, Wien. Los gings mit der Ouvertüre zur Fledermaus, gleich danach schwärmte Damrau im farbenfrohen Blumenkleid mit dem Lied der "Anna Elisa" aus "Paganini" von der "Liebe und dem Himmel auf Erden". Der sich aber schnell mal verfinstern kann, wenn Untreue oder Eifersucht im Spiel ist und dann aus Liebe Leid wird.
Die brillante Belcanto Sängerin ist auf internationalen Opernbühnen zuhause und auch mit der Kunstform der Operette bestens vertraut. Sie ist eine exzellente Kennerin dieses Fachs und stellt die vielen Facetten ihres Könnens immer wieder erneut unter Beweis. So ist sie kokett und witzig, plaudert amüsant und ist manchmal ironisch, präsentiert sich als beschwipste "Périchole" oder versprüht als "Marie" aus "Frau Luna" Klangsinnlichkeit, wenn sie von "Schlössern, die im Monde liegen", träumt oder eine Melodie aus der lustigen Witwe summt: “Lippen schweigen, `s flüstern Geigen ... ". Ihre prachtvolle Robe wechselt sie einige Male, zuletzt erscheint sie in einem leuchtend roten Abendkleid.
An ihrer Seite der Heldentenor Nikolai Schukoff. Mit seiner Interpretation von Kálmáns „Komm Zigan“ reißt er das Publikum mit, weckt Neugierde als Lebemann im "Maxim". Verheißungsvoll seine Einladung ins „Chambre séparée“ . Wer kann da schon widerstehen?
Eine glänzende Leistung liefert das Orchester ab. Es begleitet die Beiden mit höchster Präzision, mal trumpft es rasant auf, dann wiederum beeindruckt es durch leise und zarte Töne.
Das begeisterte Publikum feiert das Ensemble und freute sich über drei Zugaben.
Wuppertal
Psychokrimi auf der Bühne
Arnold Schönbergs „Erwartung“ und Ethel Smyths „Der Wald“ im Wuppertaler Opernhaus
Premiere am 7. April 2024
Ein verdienstvoller Abend des Wuppertaler Opernhauses, spannend dazu und von exzellenter musikalischer Qualität!
Zwei wenig gespielte Stücke wurden auf die Bühne gebracht, aber nicht getrennt voneinander mit Pause dazwischen, sondern dank der Regie miteinander verklammert. Auch zeitlich passen beide Werke zusammen. Arnold Schönberg komponierte seine „Erwartung“ 1909, die Engländerin Ethel Smyth ihre Oper „Der Wald“ 1902. In beiden Stücken blickt man in Abgründe, in beiden Stücken steht am Schluss eine Frau allein da, ihr Mann ist tot.
Schon der Beginn deutet darauf hin. Nach dem Auftrittsbeifall für GMD Patrick Hahn wird es dunkel, kein einziges Licht auf der Bühne, im Orchestergraben, im Parkett. Dann erscheint auf der Bühne in Leuchtschrift ein Zitat von Friedrich Nietzsche, der zur Zeit der Komposition beider Stücke extrem einflussreich war. „Wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.“ Das ist das Motto des Abends. Spannende Geschichten, viel zum Nachdenken.
Wenn das Licht auf der Bühne und im Orchester wieder angeht, befinden wir uns in einer Art Hotelfoyer, in dessen Mitte ein großformatiges expressionistisches Gemälde hängt (der Wald?). In diesem Raum, nicht im Wald des Librettos, sucht eine Frau ihren seit drei Tagen vermissten Mann. Sie agiert schon, bevor die Musik erst nach einer langen Pause einsetzt. Die Frau erlebt ihre Wahnvorstellungen in diesem Raum, in dem sie auch noch eingesperrt ist. Ihre ständig wechselnden Gefühle bei der Suche nach ihrem Mann, oft unterschiedlich und gleichzeitig, werden szenisch, sängerisch und musikalisch dargestellt. Die Psychose der Frau wird schon durch das Libretto deutlich gemacht. Es enthält fast nur Wort- und Gedankenfetzen, fast keinen einzigen vollständigen Satz. Die Musik im Orchester entspricht dem. Viele Motive werden verwendet, immer wieder neue, eine stringente Entwicklung der Musik findet nicht statt, begleitet den Gesang, der die psychischen Situation der Sängerin konsequent abbildet, wie in einem Film. Hanna Larissa Naujoks, die die Frau sang und spielte, füllte ihre Rolle brillant aus, wurde ebenso präzise vom Orchester begleitet, passend zu ihrer psychischen Situation mit genau ausgearbeiteten Motiven und großen Lautstärkeunterschieden, dass man diesem Psychokrimi atemlos folgen konnte, und die atonale Musik Schönbergs erhöhte noch die Spannung.
Dabei bleibt die Frau in diesem etwa halbstündigen Stück nicht allein. In ihren Wahnvorstellungen treten auch andere Personen auf, die im zweiten Teil eine Rolle spielen. Ein Hausierer schaut zum Fenster herein, ihr toter Mann erscheint mit einer Axt, der gesamte Chor geistert durch den Raum, und das Reh aus der Oper von Smyth fällt ihr aus einem Schrank entgegen. Und wenn die Frau singt: „Nun küss ich mich an dir zu Tode“, erinnern Text und szenische Umsetzung an die Szene Salome – Jochanaan aus der Oper von Richard Strauss, vier Jahre vorher komponiert. Bemerkenswert der Schluss dieses Teils: die Frau zerstört mit der Axt das Gemälde.
Dann setzt die Musik von Ethel Smyth ein, ganz anders als die von Schönberg. Sie erinnert an Brahms und Wagner, an diesen auch im verwendeten Sprachstil. Die Frau ist immer noch auf der Bühne, die sich nach hinten geweitet hat (Bühne und Kostüme: Julia Katharina Berndt). Ihr entgegen kommt eine andere Frau, die aber genauso in Weiß gekleidet ist wie sie. Eine kommt nach vorne, die andere verschwindet im Hintergrund, eine übernimmt sozusagen Rolle und Schicksal der anderen. Das ist Röschen, eine der beiden wichtigen Frauenrollen im „Wald“.
Die Oper von Ethel Smyth ist ungeheuer vielschichtig. Am Anfang und ebenso am Ende beschwören die Waldgeister die Kürze des Lebens im Gegensatz zur Ewigkeit der Natur. Dazwischen ist die eigentliche Geschichte eingebettet. Röschen, als rein und unschuldig dargestellt, steht am Vorabend ihrer Hochzeit mit dem Holzfäller Heinrich, der aber noch arbeiten muss. Er erscheint schließlich mit dem Hochzeitsbraten, einem gewilderten Reh, das er verstecken muss, weil Wildern bei Todesstrafe verboten ist. Die sie umgebende Waldgesellschaft ist aber sehr bösartig zu Röschen, das „Necken der Braut“ wirkt ziemlich gewalttätig, auch beim anschließenden Tanz haben die Frauen nichts zu lachen. Und Peter, Röschens Vater, packt seine Sachen und will nur weg. Auch der dann mit einem „Bärenkind“ auftauchende Hausierer wird nicht gut behandelt, findet dann nicht einmal den Weg aus dem Wald. Immerhin folgt dann ein längeres Duett, in dem Röschen und Heinrich ihre gegenseitige Zuneigung besingen. Plötzlich erscheint dann aber Jolanthe, die als Hexe bezeichnet wird, verfolgt von ihrem abgelegten Liebhaber, dem Landgrafen Rudolf. Der hat keine Macht mehr über sie, kann aber Heinrich zum Tode verurteilen, weil das gewilderte Reh entdeckt wird. Jolanthe, die ein Auge auf ihn geworfen hat, will ihn retten, wenn er ihr folgt, aber Heinrich weigert sich und steht zu seiner Braut, so dass er sterben muss. Am Schluss erscheint dann wieder die Frau aus der „Erwartung“ und fängt den Sterbenden auf, ehe der Chor der Waldgeister das Stück beendet. So wird das Schicksal der beiden Frauen ein weiteres Mal verklammert. Auch das zerstörte Bild aus dem ersten Teil wird wieder heruntergelassen. Diese Verklammerung ist das große Verdienst des Regisseurs Manuel Schmitt, der beide Stücke zusammensieht und dadurch zu einer Einheit macht.
Auch im zweiten Teil waren die Gesangsleistungen exzellent. Mariya Taniguchi sang Röschen, drückte die Seelenzustände der Person von der anfänglichen Freude bis zur absoluten Hoffnungslosigkeit am Schluss in Spiel und Gesang hervorragend aus. Der krasse Gegensatz zu ihr, die „femme fatale“ Jolanthe, die nur ihrer Lust folgt, wurde von Edith Grossman verkörpert. Ihre Macht und Zielgerichtetheit zeigte sie durch ihre markante Stimme. Den armen Heinrich sang Sangmin Jeon deutlich artikuliert mit kernig leuchtender Stimme. Besonders im Liebesduett mit Röschen zeigte sich, dass die Strahlkraft seiner Stimme noch zugenommen hat. Samueol Park als Landgraf zeigte mit robusten Stimmbändern, dass er es als Adliger gewöhnt ist zu befehlen und die Situation zu beherrschen, was ihm nur bei Jolanthe nicht gelingt. Auch Zachary Wilson als Hausierer und Erik Rousi als Vater Peter sangen und agierten ohne Fehl und Tadel. Eine wichtige Rolle im zweiten Teil spielte auch der Chor, der nicht nur hervorragend sang, sondern sich auch sehr spielfreudig zeigte und vor allem im bedrohlichen Hochzeitstanz eindringlich choreographiert war.
Und dann noch das Orchester unter Patrick Hahn! Schon im ersten Tal waren die vielfältigen musikalischen Motive brillant herausgearbeitet, was sich in Smyth´ Oper nahtlos fortsetzte, trotz der ganz anderen musikalischen Sprache. Die Unterschiedlichkeit der einzelnen Abschnitte und die verschiedenen Charaktere der Personen wurden sehr deutlich gemacht. Und dass das Orchester die Sänger unterstützte und niemals zudeckte, zeigte sich besonders im Liebesduett im zweiten Teil. Wieder eine große Leistung des Orchesters!
Großer und langanhaltender Beifall. Unbedingt zu erwähnen: Die Dramaturgin Laura Knoll präsentiert im Internet vielfältige und tiefgehende Informationen zu beiden Stücken. Sehr lesenswert!
Fritz Gerwinn, 9.4.2024
Weitere Vorstellungen: 28.4., 4.5., 10.5., 18.5.202
Wuppertal
Barockoper in neuer Interpretation
Händels „Alcina“ im Wuppertaler Opernhaus
(Premiere am 9.3., besuchte Vorstellung am 16.3.2024)
Zaubern? Heute? Und wie Alcina Männer becircen, sie längere Zeit genießen und sie dann in Tiere oder Steine verwandeln? Geht gar nicht. Das ist eine Geschichte, fern von jeglicher Wirklichkeit, die uns nicht mehr mitnimmt. Und da Oper nicht nur musikalischen Genuss bieten, sondern auch das Denken in Bewegung bringen soll, hat Regisseurin Julia Burbach einen anderen Weg beschritten. Sie holt Händels Oper nicht nur mit barocker Pracht auf die Bühne, sondern auch in die Gegenwart.
Wie macht sie das? Zuerst einmal gibt sie dem Stück einen Rahmen. Am Anfang, die Musik spielt noch nicht, trifft Alcina im Foyer eines Plattenbaus ihren ehemaligen Liebhaber Ruggiero, der die Beziehung mit ihr beendet hat. Der wendet sich aber bald von ihr ab, um seine neue Liebe, Bradamante zu umarmen, zu küssen und mit ihr zu verschwinden. Sie bleibt allein zurück, deprimiert und verzweifelt. Das ist im Original der Schluss der Oper, hier aber der Anfang. Was soll sie jetzt damit umgehen? Sie tut das, was viele Menschen in ähnlichen, ungeklärten Situationen tun, flieht in eine Traumvorstellung, beseelt von dem Wunsch, dass alles gut ausgeht und so, wie sie sich das wünscht. Dieser Wunschtraum spielt in einem barocken Schloss auf einer Trauminsel. Alcina versucht, alles zu steuern. Das gelingt aber nicht, weil die Realität immer wieder in den Traum einbricht. Wir verfolgen die unterschiedlichen Stadien ihrer Auseinandersetzung mit dem Verlassensein. Und um den Schluss des Rahmens vorwegzunehmen: Sie steht wieder im Foyer des Plattenbaus, ist aber allein, hat ihre Situation offenbar akzeptiert und blickt ohne Altlasten in die Zukunft.
Alcinas Wünsche und die Einbrüche der Realität werden im ersten Teil mit aller Pracht und Intensität dargestellt (Bühne und Kostüme: Cécile Trémolières). Der verzauberte (oder nur krass verliebte) Ruggiero folgt ihr lange Zeit wie ein Hündchen, tut alles, was sie will, beleidigt sogar seine Verlobte Bradamante, die in Männerkleidung als ihr Bruder Ricciardo aufgetaucht ist, um ihn zu retten. Er kommt erst in der Wirklichkeit an, als Bradamantes Begleiter Melisso ihm mit einem symbolischen Ring der Wahrheit die Augen öffnet. Dadurch erkennt Ruggiero Bradamante und beginnt, sich von Alcina abzulösen. Das verwirrende Geschehen verstärken noch das Paar Morgana, Alcinas Schwester, und Oronte, der bei Morgana vollkommen abgemeldet ist, weil die sich in Bradamante/Ricciardo verliebt hat. Der Traum wird immer wieder gestört durch zwei sich immer wieder öffnende und schließende Kammern im Schlossprospekt, in denen dem Traum Bilder der Realität entgegengestellt werden. Dieses Hin- und Herswitchen wird auch durch Kleiderwechsel zweier Personen deutlich gemacht. Bradamante trägt einmal ein Kleid, in anderen Szenen als Ricciardo grobe Seemanskleidung, und Alcina wechselt zwischen ihrem Alltagskleid und der königlichen Robe der Inselherrscherin. Dabei wird sie begleitet und unterstützt von ihrem Hofstaat, der von fünf Tänzerinnen und Tänzern dargestellt wird. Der Handlungsablauf ist gut nachvollziehbar, die Inszenierung ist stimmig bis in die kleinste Geste.
Wenn sich das Vorhang nach der Pause öffnet, ist das Bühnenbild umgedreht, man sieht nur noch die Rückseiten der Schlosskulissen, und die Handlung reduziert sich im Wesentlichen auf ein kleines Gärtlein, das schon im ersten Teil im Hintergrund aufgetaucht war und dessen Funktion nicht ganz klar war. Offenbar hat also Alcinas Macht sich deutlich verkleinert. Ruggiero und Alcina sitzen meistens seitlich davon auf Stühlen, Alcina überlässt den Tänzerinnen und Tänzern, ihre Verzweiflung und Wut gestisch und mimisch auszudrücken, muss am Ende aber Ruggiero ziehen lassen. Dann kann sich der Rahmen schließen.
Im zweiten Teil sind starke Gefühlsäußerungen zu erleben: Wut, Verzweiflung, Eifersucht, aber auch Liebe und Zuneigung, etwa wenn sich Morgana und Oronte wiederfinden. Dieser zweite Teil ist nicht so einfach zu verfolgen wie der erste Teil, auch muss man konstatieren, dass die Konsequenzen der Aktualisierung für manche Opernbesucher nicht sofort nachzuvollziehen sind. Hilfen sind dafür die Einführung, ein Blick ins Programmheft und genaues Verfolgen der Geschehnisse auf der Bühne.
Um eine solche Neuinterpretation der Oper deutlich zu machen und verständlich über die Rampe zu bringen, müssen alle Mitwirkenden an einem Strang ziehen. Das war in jeder Sekunde zu spüren. Sehr zu loben sind alle Sängerinnen und Sänger, die nicht nur hervorragend sangen, sondern auch so spielten. Die machten vor allem bei den in Barockopern häufigen Koloraturen klar, dass es hierbei um Steigerung des Gefühlsausdrucks ging und nicht darum, eine „geläufige Gurgel“ zu präsentieren. Das neue Ensemblemitglied Margaux de Valensart verkörperte die Hauptperson Alcina mit klarer Sopranstimme bis in die höchsten Lagen, Countertenor Randall Scotting als Gast spielte ihren (Ex)-Geliebten Ruggiero trotz unendlich vieler Koloraturen mit offenbar ermüdungsfreier Stimme. Das Retterpaar Bradamante und Melisso konnten wieder aus dem eigenen Ensemble besetzt werden. Edith Grossman bewältigte ihren Part farbenreich und sehr glaubwürdig, Erik Rousi strahlte mit markantem Bass große Sicherheit aus. Subin Park (Morgana) vom Opernstudio NRW gestaltete als lange falsch Verliebte ihre Rolle mit nuancenreichem Sopran und größter Eindringlichkeit, avancierte dadurch zum Publikumsliebling. Sander de Jong als Gast als ihr lange abservierter Freund Oronte lieferte im ersten Teil ein schauspielerische Glanzleistung ab, bevor er im zweiten Teil dann doch noch ein Arie singen durfte und dafür viel Beifall bekam. Die fünf Tänzer belebten in vielen Szenen das Gesamtbild entscheidend (Choreographie Cameron McMillan).
Und dann das Orchester! Das historisch informierte Wuppertaler Ensemble wurde vom Barockspezialisten Dominic Limburg geleitet und lieferte eine sehr lebendige abwechslungsreiche Interpretation ab. Die Tempi waren gut gewählt, dadurch wurden die oft sehr rasanten Koloraturen auf der Bühne mit höchster Präzision unterstützt. Auffallend waren etliche Stellen, bei denen zu den Melodien der Sänger einzelne Stimmen parallel geführt wurden. Und die Dynamikskala war sehr weit gespannt. Besonders glänzend gespielt wurden die Stücke am Schluss, an denen die Hörner beteiligt waren.
Tosender Beifall sowohl in der Premiere als auch in der von mir besuchten zweiten Vorstellung. So eine prachtvolle (und intelligent inszenierte) Barockoper sollte man sich nicht entgehen lassen!
Fritz Gerwinn, 18.3.2024
Weitere Vorstellungen: 22.3., 1.4., 5.5., 14.6.
Hagen
Weg vom Gral!
Wagners „Lohengrin“ in Hagen
Premiere am 25.Februar 2024
Lohengrin ist erschienen, nachdem der Chor, der vorne an der Rampe stand, zur Seite getreten ist. Der Schwan, mit dem er gekommen ist, wird aus dem Untergrund hochgefahren. Aber wieso wird er von zwei schwarzgekleideten Rittern flankiert, die kurz danach auch wieder nach unten abtauchen?
In Hagen hat das Regieteam (Regie: Nelly Danker, Bühne und Video: Robert Pflanz, Kostüme: Amélie Sator) offensichtlich genau das Libretto gelesen und sich mit den Hintergründen der Oper „Lohengrin“ beschäftigt. Präsentiert wird somit eine neue Facette der Geschichte. Lohengrin will den Gral gerne verlassen, wird aber von diesem genauestens kontrolliert. Und weil diese Geschichte märchenhafte Züge trägt, stehen Vögel auf der Bühne, allerdings wie auch in Fabeln mit durchaus menschlichen Eigenschaften.
Zuerst zu den schwarzen Rittern: Sie treten immer wieder auf, wenn es gilt, sicherzustellen, dass Lohengrin im Sinne des Grals handelt. Der will sich von dessen starren Gesetzen absetzen, muss sie aber erst noch befolgen. Deutlich wird das, wenn Lohengrin Elsa zweimal eindringlich verbietet, ihn nach Name und Herkunft zu fragen. Da stehen dann die schwarzen Gralshüter an der Seite, können an den Gral melden, dass er so wie befohlen gehandelt hat, und verschwinden dann gleich wieder. Diese neue Facette der Handlung wird auch gleich am Anfang des 1. Aktes mitgeteilt, wenn Lohengrins und Elsas Gesichter per Video eingeblendet werden und Lohengrin fragt: „Wie komme ich vom Gral los?“.
Und dass „Lohengrin“ ein Märchen mit magischen Elementen ist, wird durch die Vogelkostüme angedeutet. Ziemlich eindeutig zu bestimmen sind dabei Lohengrin und Elsa, die als blauer und weißer Pfau auftreten. Ihre Gegenspielerin Ortrud ist offensichtlich ein Goldfasan, deren von ihr ferngesteuerter Gatte Telramund lässt sich am ehesten mit dem Tragopan (eine Fasanenart) in Verbindung bringen. König Heinrich ist ein Wiedehopf, und der geschwätzige und wichtigtuerische Heerrufer, der dadurch sogar humoristische Momente erzeugt, tritt wohl als Blauhäher auf. Der Chor besteht aus Zugvögeln unterschiedlicher Farbgebungen, die je nach Situation unterschiedliche Allianzen mit den handelnden Figuren eingehen. Sind die gelbgekleideten Frauen ursprünglich Anhängerinnen von Goldfasan Ortrud? Und schwarz (Krähe!) sind die Gralshüter und auch der Schwan.
Und ein neues Element überrascht am Schluss. Nachdem Lohengrin seinen Namen bekanntgeben musste und deshalb seine Kraft verloren hat, sackt er zusammen, wird dann aber wieder aufgerichtet und von den Gralshütern abgeführt. Laut Libretto sollte dann eigentlich Elsa tot zusammenbrechen, die Regie geht aber, weil sie Wagners Kritik an seinem eigenen Schluss aufnahm, einen anderen Weg: Der gesamte Chor sinkt plötzlich um, Elsa bleibt als einzige stehen. Das lässt sich unterschiedlich interpretieren!
Die Handlung aller drei Akte lässt sich gut verfolgen. Im 1. Akt erscheint der Chor in immer neuen Positionen, wird so bewegt, wie eine Volksmenge das auch spontan tut. Dem Regieteam gelingt es aber, den Chor gerade bei entscheidenden Passagen so zu stellen, dass alle nach vorne ins Parkett singen. Der verstärkte Chor (Leitung: Julian Wolf) bewältigt seine umfangreiche Partie grandios, lässt bei Fortissimo-Stellen gelegentlich fast das Haus erzittern. Auffällig ist hier schon das Auftreten der konkurrierenden Paare. Während Elsa und Lohengrin schon kurz nach dessen Erscheinen zueinander finden und sich auch schon liebevoll berühren, wirkt Telramund als Befehlsempfänger seiner Gattin Ortrud, es gibt keine Zärtlichkeit, nicht einmal eine Berührung.
Der 2. Akt mit seinen langen Duettpassagen mit unterschiedlichen Personen wird durch drei große Treppen gestaltet, die bewegt werden und die einzelnen Teile so voneinander trennen. Sehr gut inszeniert ist hier eine Szene, in der der charismatische Lohengrin wie ein beliebter Politiker jede Menge Hände schütteln muss und deshalb erst spät bemerkt, dass Elsa auf der Vorderbühne von Ortrud und Telramund bedrängt wird. In diesem Akt wird auch deutlich, dass sowohl Lohengrin als auch Ortrud über magische, übersinnliche Fähigkeiten verfügen, der eine aber als Retter in positivem Sinne, während die andere mit ihren Zaubereien sich der Hexe aus dem Märchen nähert.
Der Brautchor zu Anfang des 3. Aktes wird sozusagen exterritorial gestaltet. Die Bühne ist noch dunkel, dann ist der Chor „Treulich geführt“ von draußen zu hören, bevor er dann im Zuschauerraum aus dem 2. Rang erklingt. Gesungen wird er auch bei vielen Hochzeitsfeiern, in der Hoffnung, dass es nicht so schlecht ausgeht wie bei Lohengrin und Elsa. Und im weiteren Verlauf ist der Chor auch nicht mehr bunt, die grellen Farben sind verdeckt, weil es ja in den Krieg geht.
Die Leistung des Chores habe ich eben schon gewürdigt, der und natürlich auch Sängerinnen und Sänger wurden vom Orchester grandios begleitet, und zwar nicht nur in den Fortissimo-Passagen. Auch die leisen, lyrischen Passagen kamen wunderbar über die Rampe, einige Holzbläsersoli wirkten wie Naturlaute, und das tiefe Blech verdient ein Sonderlob. Und GMD Joseph Trafton schaffte es auch sehr gut, die Sänger hervortreten zu lassen und sie niemals zu überdecken, auch bei größeren Lautstärken.
Das Hagener Theater hatte wieder eine gute Mischung gefunden zwischen Gästen und eigenem Ensemble. Tobias Haaks sang den Lohengrin, gestaltete seine Partie mit größter Eindringlichkeit, teilte sie sich gut ein, so dass die hohen Töne bei der Gralserzählung gegen Ende noch unforciert strahlten. Großer Beifall für ihn. Wie er der dramatischen Aussage verpflichtet bewältigte Dorothea Herbert die Partie der Elsa mit vitaler und unangestrengter Stimme. Sie war die einzige im Ensemble, die diese Partie schon einmal gesungen hatte. Alle anderen Sängerinnen und Sänger hatten sie neu einstudiert. Die weiteren Rollen waren mit Hagener Hauskräften besetzt. Angela Davis sang und spielte die hexenhafte Ortrud absolut überzeugend mit farbenreicher Gestaltung, Insu Hwang zeigte als Telramund auch mit seiner Stimme, dass er Ortruds Werkzeug war. Dong-Won Seo sang den König Heinrich markant und mit satter Tiefe. Schließlich ist noch Kenneth Mattice als aufdringlicher Heerrufer mit gut durchartikuliertem, hellen Bariton zu nennen. Das gesamte Ensemble sang ohne Fehl und Tadel.
Wieder eine Glanztat des Hagener Theaters! Viereinhalb Stunden, aber zwei Pausen, und keine Sekunde zu lang!
Fritz Gerwinn, 27.02.2024
Weitere Aufführungen: 3.3., 24.3., 1.4., 7.4., 20.5.2024 (immer um 15 Uhr!)
Hagen
Rasant und begeisternd
Rossinis „Barbier von Sevilla“ im Hagener Theater
Premiere am 13.1.24
Wieder ein prächtig gelungener Abend im Hagener Theater mit langem Beifall und standing ovations. Das lag an durchdachter Regie, spritzigem Orchester, tollen Sängerinnen und Sängern. Das Haus sollte bei jeder Vorstellung knallvoll sein. Der „Barbier“ wurde also nicht nur so einfach repertoiremäßig runtergespielt, sondern enthielt auch neue Aspekte, jede Menge Spaß auf der Bühne erzeugte Freude im Publikum, blieb aber nicht nur an der Oberfläche, sondern bohrte auch tiefer, wurde in die Gegenwart geholt, weil es Typen mit menschlichen Schwächen zeigt, die es auch heute noch gibt.
So merkte man deutlich, dass die Personen aus der Commedia dell´Arte, der italienischen Stegreifkomödie, stammten, aber ihre Charaktere auch heute noch vorkommen. Sehr deutlich wurde das bei dem ohnehin schon sehr reichen älteren Herrn Bartolo. Der will sein Mündel (eine Art Adoptivtochter) Rosina unbedingt heiraten, zeigt aber keine Spur von Zuneigung, geschweige denn Liebe, sondern will nur an ihre Mitgift und behandelt sie auch entsprechend. Sein palastartiges Haus ist schon groß, seine Gier aber noch größer.
Auch Figaro, dem Titel der Oper nach die Hauptperson, zeigt bedenkliche Seiten. Sehr gut herausgearbeitet wird, das er nichts ohne hohe Geldbeträge tut. In der Vereinbarung (kein Freundschaftsdienst, sondern ein Interessengemeinschaft) mit dem Grafen Almaviva, der Bartolo sein Mündel abjagen will, werden die Geldsäcke für ihn immer größer. Häufig wirkt er auch ziemlich großkotzig.
Ein Musterbeispiel für korruptes Verhalten ist der Musiklehrer Basilio, der sofort die Seiten wechselt, wenn es sich für ihn finanziell lohnt. Und dass Geld die Welt regiert, merkt man schon in der ersten Szene, wenn Almaviva als Lindoro sein Ständchen gesungen hat und sein Begleitpersonal mehrfach entlohnen muss, weil es sich immer wieder hinten anstellt.
Auf der anderen Seite sind Rosina und Lindoro alias Almaviva restlos ineinander verknallt, Rosina will ihren Liebhaber aber nicht mehr so recht haben, als dieser sich als reicher Graf outet. Spätestens hier wird klar, dass weder Figaro noch irgendjemand anders als Hauptperson der Oper gesehen wird, sondern Rosina, die als einzige sich der festen Typologie entzieht und differenzierte und wechselnde Charakterzüge offenbart.
Dies gelingt der Regisseurin Sabine Hartmannshenn, indem sie einen Rahmen schafft. Am Anfang führt sie uns in eine trostlose Häuserblockgegend, in der einer – das ist später Lindoro/Almaviva – ein Ständchen singen will und etliches Begleitpersonal bestellt hat. Das sind HipHopleute, die zum Teil mit Rollern auf die Bühne zischen. Die sollen mit Handbewegungen das Lied begleiten, kommen aber aus dem Takt und sind ratlos, wenn der Gesang etwas komplizierter wird. Mitglied dieser Truppe ist auch Rosina, die sich aber etwas ganz anderes wünscht und sich deshalb in eine Märchenwelt hineinträumt, mit Figaro als Joker. Dass sie diese am Schluss wieder verlässt, sich also emanzipiert hat, sei hier schon verraten.
Diese Märchenwelt wird nun sehr opulent dargestellt, sowohl im Bühnenbild mit vielen Disneyland-Videos (Stefan Heinrichs) als auch mit den Kostümen (Susana Mendoza). Die Videos zeigen oft Schlösser und Paläste, geraten aber heftig in Bewegung, wenn die Handlung sich verwirrt. Oft erscheinen Personen doppelt, weil sich ein großer Spiegel auf der Bühne befindet. Die Kostüme verwenden Märchenelemente, sind oft passenderweise recht schrill, betonen aber auch den jeweiligen Charakter. So trägt z.B. Bartolo über einem karierten Schlafanzug einen prächtigen Königsmantel, schleppt aber noch einen riesigen Drachenschwanz mit sich herum. Und Berta, die Haushälterin Bartolos, trägt eine Kleidermischung aus Fee und Hexe. Ihr, und nicht Rosina, gilt übrigens auch das Ständchen in der ersten Szene. Die Helme der Soldaten sind Fliegenpilze, und außerdem betreten oft Märchenfiguren aus anderen Zusammenhängen die Szene, so z.B. ein riesenköpfiger Grüffelo.
Die Handlung ist brillant inszeniert, die Personenführung ist hervorragend, bis in die kleinste Geste passt alles genau, auf der Bühne passiert jede Menge, oft Verschiedenes gleichzeitig, aber alles „auf den Punkt“. Die Charaktere werden parodistisch zugespitzt, alles wirkt leicht übertrieben, aber doch wieder natürlich, das macht den Spaß für das Publikum aus. In diesen Zusammenhang passen auch liebevoll ausgesucht Requisiten, so z.B. das schlappe Schwert, das Lindoro als verkleideter Soldat tragen muss. Und wenn er sich im 2. Akt als Musiklehrer ausgibt, bringt er ein Euphonium mit, das er nicht spielen kann, und weiß noch nicht einmal, wie ein Notenständer auseinander geklappt wird.
Und dann die Musik! Rossinis Musik treibt das Ganze noch einmal an, sorgt dafür, dass die Situationen sich übersteigern. Manchmal klingt sie eher klassisch, manchmal nähert sie sich der Zirkusmusik. Und Dirigent Rodrigo Tomillo (auch aus Sevilla) lässt mit dem Hagener Orchester die Rossinischen Crescendi mit ihren Steigerungen, plötzlichen Stopps und Tempoverschärfungen voll von der Leine. Man kann genussvoll verfolgen, wie Rossini diese Crescendi nicht nur durch die Lautstärke beflügelt, sondern vor allem durch die wechselnde und sich steigernde Instrumentation (vielen Dank für diese Information in Einführung und Programmheft!). Manchmal hatte man den Eindruck, dass die Musik durch das vielfältige Geschehen auf der Bühne etwas in den Hintergrund geriete. Das stimmte aber nicht, weil alles bis in die kleinste Geste aus der Musik abgeleitet war und mit ihr vollkommen übereinstimmte.
Auch die Leistungen der Sängerinnen und Sänger waren tadellos, auch in schauspielerischer Hinsicht. Tiziano Bracci verkörperte perfekt den gierigen Bartolo, Anna-Doris Capitelli mit sehr wandelbarer Stimme die Rosina, den Figaro Yevheniy Kapitula mit mächtigem Bariton. Aus dem eigenen Ensemble brillierten Sophia Leimbach als Berta und Dong-Won Seo als Basilio. Ein Sonderlob gebührt Anton Kuzenok, der nicht nur seine lyrischen Passagen wunderschön sang, sondern seine Stimme im Ständchen am Anfang auch parodistisch übertreiben und als falscher Gesangslehrer noch eine ganz andere Stimmfarbe präsentieren konnte.
Also: unbedingt besuchen. Es lohnt sich! Leider nur noch fünf Vorstellungen!
Fritz Gerwinn, 15.1.2024
Weitere Vorstellungen: 17.1., 1.2., 9.2., 18.2., 30.3.2024
Hagen
Präzise Regie, berührende Aufführung
Puccinis „La Bohème“ im Hagener Theater
Premiere am 18.11.2023
Dreimal mussten alle Mitwirkenden auf die Bühne und den Beifall entgegennehmen, so wurde geklatscht. Dabei dauerte es ziemlich lange, bis alle auf der Bühne waren: Statisten, Bühnenmusik, Kinderchor (20köpfig!), Chor, Extrachor, Solisten, Dirigent, Regieteam. Und das also dreimal, bevor sich das zahlreich erschienene Premierenpublikum beruhigte und nach und nach entweder zur Premierenfeier oder nach Hause ging. Keine Frage: eine gelungene Aufführung, ein toller Abend!
Gespielt wurde Puccinis Oper „La Bohème“. Die von Puccini komponierte Musik wurde kompetent und differenziert wiedergegeben, die Regie hatte die Musik genau ausgehört und das, was sie sagte, präzise auf die Bühne gebracht. Und gespielt und gesungen wurde ebenfalls hervorragend. Schließlich wurde auch klar, dass die Probleme, Gefühle, Verhaltensweisen, die in der Oper behandelt werden, nicht nur aus der Ferne gesehen werden, sondern uns auch heute noch angehen und betreffen.
Das zeigt sich schon bei der Musik, die den Wechsel der Gefühle, Atmosphären, Situationen in ihrem schnellen Wechsel genauestens wiedergibt, aber auch mit wiederkehrenden Motiven und deren Variationen arbeitet und so im letzten Bild auf neues Material fast ganz verzichten kann. Das wechselt alles so wie im Leben und bildet auf der Opernbühne das wirklichkeitsgetreue Gegenbild etwas zur Barockoper, in der ein einziges Gefühl eine ganze Arie beherrscht. Dabei passt sich Puccinis Musik keineswegs nur den Situationen an, sondern verrät auch oft schon, was kurz danach kommt, wie die Atmosphäre sich verändert. Gut zeigt sich das schon im 1. Bild, wenn zuerst die vier Bohemiens, der Dichter Rodolfo, der Maler Marcello, der Musiker Schaunard und der Philosoph Colline, ihre Freiheit ausleben, sich aber wie pubertäre Jungen benehmen, sich in ihren Idealen verirren und deshalb Hunger leiden und entsetzlich frieren, dann aber in der Liebesszene zwischen Mimi und Rodolfo eine ganz andere Musik erklingt. Auch durch sie wird klar, dass Mimi durchaus ein Auge auf Rodolfo geworfen hat und verloschene Kerze und verlorener Schlüssel nur Vorwände sind. Auch am Anfang ist die Musik äußerst bildhaft. So kann man deutlich hören, wie Rodolfos Drama in Flammen aufgeht, diese dann aber ganz schnell verlöschen. Und wenn der Musiker Schaunard sein Akkordeon zur Hand nimmt, erklingt aus dem Orchestergraben tatsächlich Akkordeonmusik, wenn auch mit anderen Instrumenten. Auch die Szene, in der der Vermieter sein Geld haben will, dann aber betrunken gemacht und mit geheuchelten moralischen Argumenten vor die Tür gesetzt wird, ist ein musikalisches Vergnügen.
Überhaupt legt Regisseur Holger Potocki großen Wert auf den Kontrast zwischen erstem und zweitem Teil. Den ersten Teil inszeniert er als Komödie, sowohl das erste Bild in der Müllhalden-Wohnung der vier Bohemiens als auch das weihnachtliche Volksfest am Abend, bei dem die vier die Zeche prellen und den abgelegten Liebhaber Musettas bezahlen lassen. Auf sie ist Marcello sichtbar eifersüchtig. In dieser Szene lässt Potocki es mit Kinderchor mit besorgten Müttern, Chor, Extrachor und Bühnenmusik ordentlich krachen. Bühnenbildnerin Lena Brexendorff hatte durch eine rasante Drehung der Bühne für einen eindrucksvollen Wechsel des Schauplatzes gesorgt.
Der Unterschied zum zweiten Teil könnte nicht größer sein. Das ist eine wahre Tragödie, beginnt fast schlagartig schon im dritten Bild. Hier wird der von Puccini auskomponierte manchmal sehr schnelle Wechsel der Gefühle besonders sinnfällig. Mimi fragt erst Marcello um Rat, wie sie, selber schwer krank, mit Rodolfos Eifersucht umgehen soll. Marcello setzt sich daraufhin mit Rodolfo auseinander, bis er, selber dauereifersüchtig auf seine Freundin Musetta, zu hören scheint, wie sie mit einem anderen Mann herumtändelt, und es deshalb zum Streit kommt. Dieser Streit ist besonders berührend inszeniert: zuerst giften die beiden sich an, nehmen sich dann aber in den Arm. Hier wie sonst auch in der gesamten Oper sind die musikalischen Vorschläge Puccinis genauesten ausgehört und umgesetzt. Das wird noch einmal sehr deutlich im vierten Bild, in dem die Männer durch künstliche Fröhlichkeit versuchen, ihr Leid zu überspielen, bis Marcello und Rodolfo dann doch zugeben müssen, unglücklich zu sein.
Dieser außerordentlichen Leistung der Regie entspricht die Leistung des Hagener Orchesters unter Joseph Trafton. Die unterschiedlichen Facetten der Partitur kommen wunderbar über die Rampe. Das gilt sowohl für die vielen kammermusikalischen Passagen mit wechselnden Instrumentationsfarben, aber auch für die dramatischen Teile, bei denen Trafton klangliche Zuspitzungen nicht scheut. Auch die mächtigen Chöre gaben ihr Bestes.
Auch die Sängerinnen und Sänger sind nur zu loben. Drei Gäste für die Hauptrollen hatte das Hagener Theater engagiert. In der Premiere sang Anna Pisareva mit warmen Sopran und sehr ausdrucksvoll die Mimi. Mercy Malieloa verkörperte kokett und selbstbewusst die leichtlebige Musetta. Schon bei den ersten Tönen ließ Jongwoo Kim als Rodolfo aufhorchen. Das ist ein Tenor, der nicht nur lyrische Passagen wunderbar, sondern auch die lauteren und höheren Töne unangestrengt und strahlend singt. Dazu stellt er Rodolfos emotionale Zerrissenheit auch in der Darstellung vor allem im 4. Bild sehr berührend heraus. Eine echte Entdeckung! Die drei übrigen Bohémiens wurden von den bewährten Hagener Ensemblemitgliedern Insu Hwang (Marcello), Kenneth Mattice (Schaunard) und Dong-Won Seo (Colline) gespielt und gesungen, in bewährter exzellenter Qualität, der zweimal betrogene Vermieter und abgelegte Liebhaber von Mario Klein.
Wie schon gesagt: ein toller Abend in jeder Hinsicht. Alles passte gut zusammen, war aktuell, berührte, erschloss auch tiefere Schichten dieser Oper. Unbedingt hingehen!
Fritz Gerwinn, 20.11.2023
Weitere Vorstellungen: 24.11., 6.12., 13.12., 21.12., 26.12.2023
20.1., 28.1., 10.3., 6.4., 13.4.2024
Wuppertal
Musikalischer Hochgenuss
Wagners „Tristan und Isolde“ im Wuppertaler Opernhaus
Premiere am 22. Oktober 2023
Auch Tage danach bleiben Musik und Gesang in Erinnerung, Regie und Videos deutlich weniger. Das zeigte sich in der Premiere am Beifall, am Schluss, aber auch schon nach den beiden ersten Akten, besonders aber sogar schon vor Beginn des 2. und 3. Aktes; Patrick Hahn und das Wuppertaler Orchester wurden dort mit großem Applaus auf die Reise geschickt.
Das Wuppertaler Orchester spielte tatsächlich großartig, als hätte es schon immer fast nur Wagner gespielt. Dirigent und Orchester bildeten eine Einheit, alle Anweisungen des Dirigenten wurden präzise umgesetzt. Rausch und Traumverlorenheit wurden erreicht durch differenziertes und klar konturiertes Dirigat, so dass die Charaktere und die unterschiedlichen und wechselnden Gefühle genauestens und unmittelbar nachvollzogen werden konnten. Z. B. wurden Kurwenals Geradlinigkeit und Treue durch eine Musik deutlich gemacht, die sich von der seines Herrn Tristan deutlich unterschied. Auch die Ironie bei Isoldes Aussichten auf die Ehe mit Marke war nicht nur im Text und Gesang Isoldes spürbar, sondern kam auch aus dem Orchestergraben. Beeindruckend war auch der Umgang mit der Lautstärkeskala. So leise habe ich den Beginn mit dem berühmten Tristan-Akkord noch nie gehört, und berührend waren auch die Stellen, an denen nur ein einziges Instrument, etwa die Bassklarinette, spielte. Die verschiedenen und ständig wechselnden Lautstärkegrade waren genauestens austariert, so dass die Passagen im dreifachen Fortissimo umso mehr ihre Wirkung entfalten konnten. Dabei hatte Hahn die Sänger sehr im Auge, überdeckte sie nie komplett, erst im 3. Akt mussten sie sich an einigen Stellen anstrengen, um sich gegen das Orchester durchzusetzen. Auch die immer wiederkehrenden Leitmotive in unterschiedlichen Formen und Funktionen waren deutlich herauszuhören. So tauchte der Schlussgesang der Isolde „Mild und leise“ schon vorher vorausdeutend mehrfach im Orchester auf.
Kein Wunder, dass bei einem solchen Orchester auch die Sängerinnen und Sänger Bestleistungen zeigten. Für die meisten großen Rollen waren Gäste engagiert worden, einige wurden aber auch von Wuppertaler Ensemblemitgliedern gesungen. Der australische Tenor Samuel Sakker verkörperte den Tristan, klangschön und höhensicher. Offensichtlich hielt er sich im 1. Akt noch etwas zurück, um seinen ekstatischen Auftritt im 3. Akt zu schaffen, was dann auch sehr gut gelang. Die für die Rolle der Isolde vorgesehene Kirstin Sharpin musste leider krank absagen, man hatte aber einen vollwertigen Ersatz gefunden: Stephanie Müther sang die Premiere, konnte schon bei der Generalprobe dabei sein. Sie ist wirklich eine Wagner-Sängerin von Format, konnte von Anfang an bis zu ihrem Schlussgesang mit ihrer farbenreichen und die unterschiedlichen Gefühle genau darstellenden Stimme überzeugen. Erik Rousi, neues Ensemblemitglied, sang den König Marke, der vor allem bei seinem Auftritt im 2. Akt überzeugte. Marke war diesmal nicht alt und mit schwarzem Bass dargestellt, wirkte sogar noch fast jugendlich. Jennifer Feinstein war eine fürsorgliche und resolute Brangäne. Martijn Sanders als Kurwenal und Jason Lee, ebenfalls neues Ensemblemitglied, als Melot gefielen mit markanten und sicher geführten Stimmen. Schön das Wiedersehen mit Sangmin Jeon, der Hirt und Seemann darstellte. Nicht zu vergessen der Männerchor, durch den Extrachor verstärkt, der vor allem den brutalen Spottchor im 1. Akt überzeugend über die Rampe brachte.
Wagner hat sein Stück nicht etwas Oper oder Musikdrama genannt, sondern schlicht „Handlung“, dabei ist es wohl sein handlungsärmstes Werk. Deshalb ist es immer nicht einfach, dieses Werk sinnfällig auf die Bühne zu bringen. Der Eindruck dieser Inszenierung war zwiespältig, wie auch einige Buhs für die Regie beim Schlussbeifall zeigten. Die Regie war auf zwei Personen aufgeteilt. Martin Anderson hatte zusätzlich für Konzept und Videos gesorgt, Edison Vigil für die Bühne. Seine Bühnenbilder mit wenigen Requisiten waren verständlich und lenkten wenig von der Handlung ab, seine Personenführung wirkte an einigen Stellen aber etwas ungelenk. Andersons Videos trugen wenig zur Erhellung und Durchdringung der Problematik bei, waren eher dekorativ. Gleich zu Beginn während des Vorspiels sah man Wellen, bewegte See, ein einsame Möwe, dann zwei. Diese Motive – im 3. Akt kam noch umtostes Felsengestein dazu - kehrten immer wieder, sollten wohl auf der Gefühlschaos der handelnden Personen hinweisen. Am gelungensten scheint mir das Video im 2. Akt, in dem zum Liebesduett der beiden Hauptpersonen im Hintergrund Nachtblumen wachsen, schön aber auch bedrohlich, das Grüne dann ins Violette wechselt. Das verschwindet mit einem Schlag, als Marke und Melot hereinstürmen und die Liebesszene brutal unterbrechen. Auf der Leinwand erscheint dann eine öde, unwirtliche Landschaft.
Rätselhaft blieb die Funktion der keltischen Heiligenfiguren zu Beginn des 2. Aktes. Sollte das heißen, dass die Geschichte in einer historisch fernen archaischen, patriarchalischen Gesellschaft mit strengen christlichen Moralvorstellungen stattfindet, die dann vom Liebespaar durchbrochen werden? Auch die Videoteile, die im Mittelalter spielen, deuten darauf hin. Die sollen die Vorgeschichte erklären, tun dies aber nur unzureichend und lassen den Gedanken aufkommen, wir hätten es mit einer weit zurückliegenden Geschichte zu tun, die uns nur noch wenig betrifft. Auch die sehr konkret erzählte Handlung scheint dies zu bestätigen. So sieht man z.B. genau, wie Brangäne nach langem Schwanken doch den Todestrank durch den Liebestrank ersetzt. Das ist anders als in vielen neueren Inszenierungen, in denen der Trank nur eine symbolische Bedeutung hat und gar nicht notwendig ist, weil Tristan und Isolde von vornherein füreinander bestimmt sind. Auch dies wird in dieser Inszenierung anders erzählt.
Trotz dieser kleinen Einschränkungen: ein toller Abend, vor allem wegen der Musik. Und keine Sekunde zu lang! Spannend mitzuerleben, wie bei der Premiere der donnernde Beifall für die Solisten sich deutlich steigerte, als Patrick Hahn die Bühne betrat, und noch einmal, als er das Orchester aufstehen ließ und sich bei ihm bedankte.
Fritz Gerwinn, 24.10.2023
Weitere Vorstellungen: 29.10., 12.11.2023; 24.2., 17.3., 24.3.2024
Hagen
Furioso grandioso
Lehárs „Lustige Witwe“ im Hagener Theater
Premiere am 14.10.2023
Langer Beifall nach der Premiere. Und dann, nach dem Schließen des Vorhangs, ein kollektiver Freudenschrei des gesamten Ensembles auf der Bühne. Typisch für das Hagener Theater: der durchschlagende Erfolg kommt nicht nur durch großes Engagement zustande, sondern vor allem durch solidarisches Zusammenarbeiten aller Beteiligten. Das war vom ersten Moment bis zur letzten Sekunde zu spüren. Ohnehin professionelle Leistungen wurden so noch einmal auf ein höheres Niveau gehoben.
Annette Wolf, die Regisseurin, erzählte die Geschichte klar und jederzeit nachvollziehbar, hatte den Text dafür leicht verändert und ergänzt. So erschienen gleich zu Anfang Valencienne, die Ehefrau des pontevedrinischen Botschafters, und ihr Liebhaber Rosillon vor dem Vorhang und begannen das Spiel mit dem Fächer, auf dem „Ich liebe dich“ steht und der im weiteren Verlauf immer wieder auftaucht und eine wichtige Rolle spielt. Die weitere Entwicklung ihrer Beziehung, zumal Valenciennes Schwanken zwischen „anständiger Frau“ und Hingabe an ihren Liebhaber, wurde von der Regie immer wieder in den Mittelpunkt gerückt.
Mindestens ebenso intensiv wurde der Liebeskrieg mit positivem Ende zwischen der schwerreichen „lustigen Witwe“ Hanna Glawari und dem arbeitsscheuen und vergnügungssüchtigen Graf Danilo dargestellt, die sich einmal sogar an einem langen Putin-Tisch angifteten. Bis zum guten Schluss fieberte man regelrecht mit, konnte kaum glauben, welche Steine sich die beiden gegenseitig in den Weg legten. Immerhin wurde sehr klar, dass es Danilo als einzigem überhaupt nicht um Hannas Geld geht, auf das alle scharf sind, weil sie selbst in großen finanziellen Schwierigkeiten sind und komplett auf Pump leben. Das wird übrigens von Danilo locker entlarvt, als er bei der Damenwahl als Tänzer von Hanna ausgewählt wurde, dieses Recht aber verkaufen will: Niemand kann das bezahlen.
Dem Verfolgen dieser beiden Paarbeziehungen stehen die großen Tanz- und Festszenen gegenüber. Annette Wolf hat dies so eingerichtet, dass die drei Akte nicht an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten spielen, sondern alle an einem Abend in der pontevedrinischen Botschaft und in deren Garten: Tanz auf dem Vulkan, weil Pontevidrino pleite ist und nur gerettet werden kann, wenn Hanna Glavari einen Pontevedriner heiratet. Entsprechend laut und hektisch geht es dort zu, die gesellschaftliche Contenance wird aber immer wieder durchbrochen. Paare bleiben nicht zusammen, sondern amüsieren sich getrennt anderswo, immer wieder gleitet ein Herr mit der falschen Dame (oder umgekehrt) vorbei, entschuldigt sich und zieht sich zurück. Dieses ständige Balzen und Betrügen wird von Hanna „Heirat auf Pariser Art“ genannt. Diese Festszenen sind sehr vergnüglich inszeniert, es gibt witzige Dialoge und kleine Gags, oft wird ironisch und parodistisch übertrieben. Dies wird besonders deutlich, wenn bei der Damenwahl im 1. Akt alle Männer hinter Hanna herlaufen und sie bedrängen, um als Tanzpartner gewählt zu werden.
Laute und bewegungs- und temporeiche Massen- und Tanzszenen wechseln sich ab mit intimeren Zweierszenen, die ruhiger wirken und sich Zeit nehmen, auch den Gegensatz von festlicher Fassade und Authentizität deutlich machen. Die Aufeinanderfolge so unterschiedlicher Teile wird von der Regie geschickt gelöst. Und es ist außerordentlich vergnüglich zu verfolgen, wenn sich aus der Handlung eine wirkungsvolle mitreißende Tanzszene entwickelt.
Die Grisetten werden in den Vordergrund gestellt, Tänzerinnen an der Grenze zur Prostitution. Nicht nur Graf Danilo besucht sie jeden Abend im „Maxim“, auch Valencienne, Ehefrau des Barons Zeta und vom Liebhaber Rosillon angebetet, war früher eine davon, wurde dann wohl vom Botschafter aus diesem Milieu weggeheiratet. So ist es auch verständlich, dass die Grisetten auch auf dem Ball in der Botschaft anwesend sind und im 1. Akt die Situation retten, indem sie nach der missglückten Damenwahl die nicht mehr tanzlustigen Herren wieder in Bewegung bringen. Und ihre Tänze, an denen auch Valencienne teilnimmt (und wie!), bilden im 3. Akt den Höhepunkt des Festes.
Auch bei dem Männer-Ensemble „Ja, das Studium der Weiber ist schwer“ lässt sich die Regisseurin einiges einfallen. Die Frauen kommen schon auf die Bühne, wenn die Männer sich in den leicht frauenfeindlichen Text tanzend und singend hineinsteigern, lassen sich davon aber wenig beeindrucken und kontern die Männer mit einer eigenen Fassung. Steht so wohl nicht im Original-Libretto! Diese Szene (und alle anderen im gesamten Stück) lebte nicht nur durch die Ideen der Regisseurin, sondern auch durch eine ausgefeilte, witzige Choreographie (Kerstin Zinser-Zwanzig).
Noch zwei weitere interessante Details: Während des Umbaus zwischen 2. und 3. Akt nimmt der Botschafter vor dem Vorhang ein Bad und spielt in der Badewanne liegend mit seinem Kanzlisten Ball. Bevor er sich auch der Unterhose entledigt, sieht man, dass er auch dort eine Schärpe in den Nationalfarben seines Landes trägt. Zum zweiten: Beim berühmten Vilja-Lied tritt Hanna nach vorne, hinter ihr senkt sich ein durchsichtiger Vorhang herab. Soll wohl heißen: Dieses Lied hat mit der Handlung wenig bis nichts zu tun, könnte wegfallen, wenn es nicht so schön wäre.
Und alle Ausführenden waren nicht nur perfekt, sondern hatten hörbar und sichtbar großen Spaß. Das beginnt beim Orchester unter Steffen Müller-Gabriel, dass die schnellen und schmissigen Teile perfekt über die Rampe brachte, ohne die Stimmen auf der Bühne zu überdecken. Aber auch in den lyrischen Passagen wie dem Liebesgeständnis Rosillons und Danilos Lied von den Königskindern wurden Sängerinnen und Sänger zart und differenziert begleitet. Angela Davis und sang die Hanna Glawari exzellent, farbenreich, besonders wohlklingend in der hohen Lage. Sie spielte wunderbar die begehrenswerte Frau, die es genießt, von allen Männern umschwärmt zu werden, obwohl sie genau weiß, dass die nur hinter ihrem Geld her sind. Kenneth Mattice war als unangepasster, als einziger nicht nach Vorschrift gekleideter Diplomat in seinem Element, setzte seinen hellen Bariton facettenreich ein, machte sehr ausdrucksstark klar, wie er in seinem Verhältnis zu Hanna hin- und hergerissen wird. Ganz untadelig in Spiel und Gesang auch Richard van Gemert als Baron Zeta, der lange nicht kapiert, dass seine Frau ihm nicht mehr ganz treu ist. Besonders vergnüglich sind die Szenen, in denen er mit seinem tollpatschigen und wahnsinnig komischen Kanzlisten Njegus (Thomas Weber-Schallauer) agiert. Anton Kuzenok als Rosillon konnte seine wunderschöne Tenorstimme wegen einer leichten Indisposition in der Premiere nicht voll ausfahren. Besonders gefallen hat mir Anna Sophia Theil als Valencienne. Die kann nicht nur singen und spielen, sondern auch tanzen (und wie!). Fast alle weiteren Rollen der Festgesellschaft konnten aus Chor und Statisterie besetzt werden, die alle präzise, aber unterschiedliche Profile entwickelten. Und der spielfreudige Chor (Julian Wolf) war ohnehin Extraklasse!
Unbedingt hingehen! So einen gelungenen Abend erlebt man selten!
Fritz Gerwinn, 16.10.2023
Weitere Vorstellungen: 18.10., 2.11., 12.11., 22.12., 31.12.(2x)2023
31.3., 27.4., 11.5., 15.6.2024
Engel, versklavt und missbraucht
Du Yuns „Angel´s Bone“ in Wuppertal
Premiere am 1.9.2023, besuchte Vorstellung am 3.9. 2023
Geballter Saisonbeginn in Wuppertal. Das Schauspiel im Engelsgarten zeigte am 2. September die „Klimatrilogie“, nimmt eine knappe Woche später dann den „Faust“ wieder auf. Am selben Tag, parallel zur Premiere, spielte das Sinfonieorchester unter GMD Patrick Hahn auf dem Laurentiusplatz ein umjubeltes Open-Air-Konzert mit Frank Dupree und seinem Trio als Solisten, und eine gute Woche später findet schon das programmatisch ungewöhnlich interessante 1. Sinfoniekonzert mit Werken von Ligeti, PDQ Bach und Haydn in der Stadthalle statt. Die Oper begann schon einen Tag früher, das Opernhaus in Barmen blieb aber leer. Die Reparatur der durch die große Flut zerstörte Unterbühne, die bisher nur provisorisch hergerichtet war, braucht noch Zeit. Aber Not macht erfinderisch, und die neue Opernintendantin Rebekah Rota hatte sich informiert und sich etwas Tolles einfallen lassen. So fand die erste Premiere der Saison in der Alten Glaserei statt braucht. ein aufgelassenes Industriegebäude mit kahlen Wänden in der Nähe der Nordbahntrasse. Viele Zuschauer kamen mit dem Fahrrad oder mussten längere Fußwege in Kauf nehmen. Immerhin gab es Gastronomie, die auch von den Darstellern benutzt wurde. Passend zum Ort wurde keine klassische Oper präsentiert, sondern ein Thema von brennender Aktualität: Menschenhandel, Arbeitsausbeutung, moderne Sklaverei, sexuelle Gewalt. Das Thema wird auch in weiteren flankierenden Veranstaltungen aufgegriffen.
Gespielt wurde „Angel´s Bone“ der chinesischen Komponistin Du Yun, die dafür 2017 den Pulitzer-Preis erhielt. Die Oper, (Libretto Royce Vavrek) greift das Thema auf künstlerische Weise auf: Engel, also ätherische Wesen, werden schlimmer als Sklaven behandelt. Harte Kost für die Zuschauer, schlimmes Ende, überraschende Wendung am Schluss, die auf die herrschende Medienkultur ein starkes Licht wirft. Regisseurin Jorinde Keesmaat brachte alles einleuchtend auf die Bühne.Einlass war erst fünf Minuten vor Beginn des Stücks. Das hatte seinen Grund. Der Chor sang schon, erzeugte einen dissonanten Gesamtklang, die Mitglieder bewegten sich dabei im Halbdunkel vor einer Art Drahtzaun. Wenn man seinen Platz gefunden hatte, erkannte man, dass dies die Gitter eines Laufkäfig waren, wie sie im Zirkus benutzt werden, um Tiere in die Manege zu führen. Dieser T-förmige Käfig war in der Mitte des Raumes platziert, die Zuschauer saßen an beiden Seiten ((Bühne: Sammy van den Heuvel).
Eindringlich wird gezeigt, wie sich ein Ehepaar (Mrs. X.E. und Mr. X.E., den man zu Beginn nur hört und der erst später erscheint) sich auseinandergelebt hat. Die entdecken dann aber in ihrem Garten Engel, erschöpft, versehrt und auf Hilfe hoffend, acht an der Zahl, die auf beiden Seiten des Käfigs orientierungslos in den Raum kriechen. Zuerst überrascht und erfreut, will das Ehepaar die Engel behalten, die Frau befiehlt ihrem Mann, die Engel flugunfähig zu machen und in die engen Käfige zu sperren, für die Engel eine klaustrophobische Situation, die auch die Zuschauer erfasst.
Einzelne Engel werden aus ihrem Käfig geholt und benutzt und betatscht. Frau X.E. geht offensichtlich sogar mit einem von ihnen ins Bett. Da ist aber keine Spur von Einvernehmlichkeit, der Engel wir absolut lieblos behandelt und nach erfolgter Tat weggestoßen. Und Mr. X.E. vergewaltigt einen der Engel auf brutalste Weise auf dem Tisch in der Mitte der Bühne, was sehr deutlich gezeigt wird und schockiert. Nach diesen gewaltsamen Attacken haben die verletzten Engel aber immerhin Gelegenheit, ihren erbarmungswürdigen Zustand zu reflektieren und darzustellen. Besonders berührend gelingt das dem Vergewaltigungsopfer, dem Girl Angel.
Ihre in Traumsequenzen ausgedrückte Hoffnung auf Besserung erfüllt sich nicht. Sie werden zur Schau gestellt und zur Benutzung für zahlende Gäste freigegeben (dem Publikum wird dabei Sekt serviert) Das ist für die Engel besonders schlimm, weil sie in der allgemeinen Wahrnehmung als rein und körperlos gelten.
Überlagert werden die schlimmen Taten aber noch von den Visionen von Mrs. X.E., die auf Videoleinwänden (Videos: Frauke van den Heuvel) sehr drastisch gezeigt werden. Durch den Kontakt mit Engeln hält sie sich für „gesegnet“, glaubt, dass das auch für alle gilt, die mit Engeln zu tun haben, egal auf welche Weise. Sie genießt ganz offensichtlich den Sex mit Engeln, der von ihrer Seite aber sehr lieblos ist, trotzdem aber dazu führt, dass ihrem Mann endgültig keine Chance mehr bei ihr hat. Schließlich fühlt sie sich sogar vom Engel geschwängert. Hier wird sehr deutlich Bezug genommen auf die biblische „Verkündigung“ der Schwangerschaft von Maria und verstärkt die immer wieder vorkommenden Zweifel an dieser Geschichte, indem suggeriert wird, dass der Erzengel Gabriel nicht nur der Verkünder der Schwangerschaft war, sondern ihr Initiator. Auch auf der Bühne fühlt sich Mrs. X.E. immer mehr als Maria, kleidet sich wie sie, trägt lange blaue Marienmäntel. Ihre irrealen Vorstellungen werden verstärkt durch das vom Chor produzierte mystische Klangbild.
Inzwischen wird Mr. X.E. immer mehr von seinem Gewissen geplagt, will den Engeln die Freiheit zurückgeben. Wie sie verschwinden, bleibt aber offen. Jedenfalls wird er derart von seinen Dämonen verfolgt, dass er sich umbringt. Vier schwarze Gestalten zwingen ihn in ein Teil des Käfigs, in dem am Anfang die Engel gesessen haben, bewerfen ihn mit Federn.
Das ungewöhnliche Ende überrascht: Mrs. X.E., allein zurückgeblieben, dreht in Erwartung vieler Fernsehinterviews die Geschichte komplett um und schiebt alle Schuld ihrem Mann zu. Dabei hat sie alle Befehle gegeben und die schrecklichen Taten veranlasst. Aber auch bei ihr meldet sich das Gewissen, immer lauter. Ihre letzte Szene singt sie im Parkett, mitten im Publikum.
Eine große Rolle hat der Chor zu bewältigen, die jeweilige Stimmung darstellend und kommentierend, so z.B. am Schluss: „Federn in den falschen Händen werden zu Dornen.“ Einige Mitglieder sind als Kunden der Engel eingesetzt. Alle singen und spielen dies fantastisch und bestechend.
Die Musik von Du Yun ist im besten Sinne eklektisch, besteht aus unterschiedlichsten Stilarten, die pausenlos ineinander übergehen. Dies zeigt sich schon an den Instrumenten des kleinen Orchesters: neben wenigen Streichern und Bläsern gibt es eine Barocklaute und eine deutlich hörbare virtuose Tuba. Wenn beide Gruppen zusammenspielen, sind zwei Dirigenten nötig. Für den Chor Ulrich Zippelius, für das Orchester Johannes Witt. Sie führen beide Gruppen sicher durch die verschiedenen Stilebenen, u.a. dissonanzenreiche Teile, rhythmisch betonte tonale Musik, Choräle, songartige Passagen. Nur die Punkrockpassagen waren offensichtlich vorher produziert und wurden nahtlos eingeblendet.
Bei Intendantenwechsel kommen auch neue Sängerinnen und Sänger. Das neue Ensemble ist noch nicht komplett, aber diejenigen, die sich hier vorstellten, zeigten hervorragende Leistungen. Zuerst zu nennen ist Edith Grossman als Mrs. X.E., die großartig spielte und überwältigend auch die schwierigsten Passagen meisterte. Ebenso hervorragend als Mr. X.E. Zachary Wilson, der ab 2024 Ensemblemitglied sein wird. Drei Solisten in weiteren tragenden Rollen überzeugten: Anna Angelini als Girl Angel, Jason Lee (ebenfalls neues Ensemblemitglied) als Boy Engel, Countertenor Gerben van der Werf als Erzengel. Alle mussten sowohl sängerisch als auch in der Darstellung an ihre Grenzen gehen.
Fritz Gerwinn, 5.9.2023
Hagen
Don Giovanni im Zwischenreich
Mozarts „Don Giovanni“ im Hagener Theater
Premiere am 6.5.2023
Schon kurz nach den ersten wuchtigen Akkorden der Ouverture öffnet sich der Vorhang. In der Mitte ragt ein großer kahler Baum in den Himmel, daneben ein demoliertes Auto, nach einem Unfall dort gelandet, alles in einer hügeligen Landschaft mit Wiese und Straße. Dort irren zwei Männer herum, wie sich später herausstellt, Don Giovanni und Leporello, verschwinden dann aber wieder. weiter ...
Barockkrimi
Monteverdis „Krönung der Poppea“ im Wuppertaler Opernhaus
Premiere am 30.4.2023
Der lange und laute Beifall wurde vom scheidenden Intendanten Berthold Schneider unterbrochen. Anschließend wurde aber noch kräftig weitergeklatscht. Er bedankte sich bei Immo Karaman, dem Regisseur und Bühnenbildner des Abends, und dessen Partner Fabian Posca, verantwortlich für Kostüme und Choreographie. Beide hatten in seiner Intendanz mehrere Stücke auf die Wuppertaler Bühne gebracht, immer mit großem Erfolg. Händels „Giulio Cesare“ musste aber wegen der Wupperflut ausfallen, das Bühnenbild wollte man aber aus Gründen der Nachhaltigkeit auf jeden Fall noch verwenden. Deshalb suchte man ein Stück dafür und fand Monteverdis „L´incoronazione di Poppea“. Und das passte haarscharf! ...
HAGEN
Hoher Anspruch, eingelöst
Peter Eötvös´ Oper „Drei Schwestern“ in Hagen
Premiere am 25. März 2023
Keine leichte Kost im Hagener Theater, aber hervorragend dargeboten. Gefordert waren nicht nur alle Mitwirkenden, sondern auch die Zuschauer mussten sich sehr tiefgehend auf die Oper von Peter Eötvös einlassen. Immerhin gilt diese 1998 herausgekommene Oper als relativ viel gespieltes Standardwerk. ...
ESSEN
Dogville
Oper in 18 Bildern
Von: Gordon Kampe
Libretto nach dem gleichnamigen Film von Lars von Trier
In englischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Premiere/Uraufführung im Aalto-Theater Essen: Samstag, 11. März 23
besucht: 26. März 2023
Musikalische Leitung: Tomáš Netopil
Inszenierung: David Herman
Bühne, Licht und Video: Jo Schramm
Kostüme: Tabea Braun
Dramaturgie: Patricia Knebel, Christian Schröder
Gut zwei Jahre wartete das Publikum des Aalto-Theaters gespannt auf die Uraufführung von „Dogville“. Die Pandemie erforderte es. Nun war es endlich soweit. Begeisterung und Jubel für Gordon Kampes Oper in Essen.
In Dogville geht es um den Leidensweg einer jungen Frau, die vor Gangstern flieht und in einem abgelegenen Dorf zunächst Unterschlupf findet. Das Libretto basiert auf dem gleichnamigen Film Lars von Triers. Die Inszenierung stammt von David Hermann ...
Wuppertal
Große Oper!
Verdis „La Traviata“ im Wuppertaler Opernhaus
Premiere am 26.2.2023
Riesenbegeisterung für Verdis "La Traviata" in Wuppertal.
Bereits nach der ersten Arie Violettas Bravorufe und großer Beifall. Und am Schluss wollte das Publikum gar nicht mehr aufhören zu klatschen. Tatsächlich: ein großer Opernabend! ...
Hagen
Freischütz als Häschenschule. Neu entdeckte Facetten
Premiere im Hagener Theater am 4.2.2023
Dass Regisseur und Intendant Francis Hüsers in seiner Inszenierung den „Freischütz“ mit der „Häschenschule“ in Verbindung bringt, war zunächst überraschend, irritierend bis verstörend. Der Zusammenhang wurde im Verlauf des Abends aber immer klarer. Hüsers und sein Team haben beide Werke genau gelesen. weiter ..
Wuppertal
Rigoletto
Atemlose Stille
Neueinstudierung von Timofej Kuljakins Inszenierung von Verdis „Rigoletto“ in Wuppertal
Premiere der Neueinstudierung am 8. Januar 2023
In Wuppertal feierte das Wuppertaler Publikum wieder eine inszenatorische Offenbarung. Der russische Regisseurs Timofej Kuljabin erfindet den "Rigoletto" fast neu und begeistert mit der Neuinszenierung. ...
Hagen
Spannendes Musiktheater
Puccinis „La Fanciulla del West“ im Hagener Theater
Premiere am 3. Dezember 2022
Die Musik überfällt einen hart, brutal und extrem laut. Damit ist der Charakter des Stücks schon vorgegeben. „La Fanciulla del West“ spielt in einer Umgebung, die sonst in Opern kaum vorkommt: in einem Goldgräberlager um 1849, während des Goldrausches in Kalifornien ...
Hagen
Stimmig, spritzig, intelligent
Offenbachs „Die schöne Helena“ in Hagen
Premiere am 29.10.2022
Kaum hat das Vorspiel begonnen, bricht es auch schon mit einer krachenden Dissonanz ab. Der Vorhang öffnet sich, und Eris, die Göttin des Streites und der Zwietracht, betritt die Bühne. Die kommt in dieser Operette eigentlich nicht vor, spielt in der Hagener Fassung aber eine wichtige Rolle. Schließlich hatte sie ja auch das Urteil des Paris letztlich verursacht – das ist die bekannte Geschichte, in der Paris die schönste der drei Göttinnen Minerva, Hera und Venus auswählen muss und sich für letztere entscheidet. Die hat ihm die schönste Frau der Welt versprochen. Bitte weiterlesen ...
Essen
Aalto Theater
Wiederaufnahme
10.09./18.09./03.10.2022
La finta giardiniera
Dramma giocoso in drei Akten von Wolfgang Amadeus Mozart
Libretto von Giuseppe Petrosellini
Premiere am 2. Oktober 2021
In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Als Wiederaufnahme stand am 3. Oktober 2022 die Mozart Oper "La finta Giardiniera " auf dem Spielplan des Aalto Theaters in Essen. Sieben Protagonisten geraten auf der Suche nach Liebe in allerlei Enttäuschungen, Turbulenzen und Verwirrungen. Zur großen Freude des Publikums geht das Drama jedoch gut aus. Es gibt Bravorufe und viel Beifall für das Ensemble.
weiter ...
Wuppertal
Massenets „Werther“ im Wuppertaler Opernhaus
Premiere der Neueinstudierung am 2. Oktober 2022
Für seine letzte Wuppertaler Saison hat Opernintendant Berthold Schneider einige Highlights aus seinen hier verbrachten Jahren ausgewählt, die neu einstudiert wurden. Das erste dieser Stücke, Jules Massenets Oper „Werther“, hatte am 2. Oktober Premiere, geht aber nur noch einmal, am 29.10.22, über die Bühne. ...
Wuppertal
Musikalisch fesselnd, szenisch problematisch
Lehárs „Lustige Witwe“ im Wuppertaler Opernhaus
Premiere am 27.8.2022, besuchte Vorstellung am 4.9.2022
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Hagen
Gelungener Doppelabend mit Uraufführung in Hage
Puccini: „Suor Angelica“ und Tarkiainen: „A Room of One´s Own
Premiere am 14. 5.2022
Eine Woche nach dem Doppelabend in Wuppertal gab es auch einen solchen in Hagen. Hatte man dort auf den größtmöglichen Gegensatz gesetzt, betonte man in Hagen die Einheitlichkeit der Thematik. So wurden beide Opern auch von einem einzigen Regieteam eingerichtet. ...
Wuppertal
Doppelabend in Wuppertal
„Ariadne auf Naxos (Vorspiel)“ von Richard Strauss und „Herzog Blaubarts Burg“ im Opernhaus
Premiere am 8. Mai 2022
Strahlender Sonnenschein. Lag es daran, dass doch etliche Plätze im Opernhaus frei blieben, oder waren es die Corona-Nachwirkungen, die immer noch den Entschluss lähmen, Kulturveranstaltungen zu besuchen? Dabei hätte dieser ungewöhnliche Doppelabend ein volles Haus verdient.
Ungewöhnlich, weil ein wenig gespieltes Werk mit einem doch deutlich bekannteren Stück gekoppelt wurde„Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss bildete den ersten Teil, allerdings nur das Vorspiel, weil nach Meinung der Programmmacher die Ankündigungen des Vorspiels in der dann folgenden Oper nicht eingelöst werden. Für den zweiten Teil wurde dann der größtmögliche Gegensatz gesucht, und das wurde dann „Blaubarts Burg“ von Béla Bartók, in dieser Saison in Nordrhein-Westfalen in höchst unterschiedlichen Inszenierungen mehrfach zu sehen. ...
Gelsenkirchen
Carmen von Georges Bizet
Musikalische Leitung: Rasmus Baumann, Peter Kattermann/Niklas Kudo
Inszenierung Rahel Thiel
Bühne Dieter Richter
Dramaturgie Anna Chernomordik
Das Liebesglück ist nicht von Dauer
Rahel Thiel inszeniert für das Musiktheater in Gelsenkirchen die Oper "Carmen“ von Georges Bizet". Szenisch steht der Freiheitsbegriff Carmens im Zentrum. Musikalisch begeisterte die Neue Philharmonie unter der Leitung von Rasmus Baumann mit einer glutvollen Gestaltung der Partitur. Füße zucken, Wangen glühen, still sitzen fällt ungemein schwer. ...
Wuppertal
Richard Wagner: Tannhäuser
Premiere am 27. März 2022 im Wuppertaler Opernhaus
Endlich! Die Premiere für den neu inszenierten „Tannhäuser“ brauchte drei Anläufe, ehe sie tatsächlich stattfand. Drei Wochen vorher musste sie krankheitshalber abgesagt werden, eine knappe Woche später ebenfalls sehr kurzfristig. Auch diesmal hatten Corona und Erkältungswelle den Chor dezimiert, aber doch nicht so, dass die Vorstellung in Gefahr geriet. Immerhin hatte die Verlegung ermöglicht, dass wegen der gelockerten Coronaregeln das Opernhaus wieder voll sein durfte und am Platz die Masken abgenommen werden durften, was aber nicht allen gefiel. bitte weiterlesen ...
Essen
„Lucia di Lammermoor“ von Gaetano Donizetti ist letzmalig am 24. März um 19:30 im Aalto-Theater zu erleben
Regisseur Dietrich W. Hilsdorf tritt als Statist auf
Ein besonderes Sahnehäubchen: Der Regisseur lässt es sich nicht nehmen, in seiner eigenen Inszenierung selbst mitzuwirken. Auftreten wird er als Statist – die Rolle eines Mönchs musste kurzfristig neu besetzt werden. Dietrich W. Hilsdorf probt zurzeit am Aalto-Theater die Wiederaufnahme seiner Inszenierung von Alessandro Scarlattis Oratorium „Kain und Abel“ (Wiederaufnahme am Samstag, 26. März, um 19:00 Uhr). Der ausgebildete Schauspieler stand daher gerne spontan als Einspringer zur Verfügung.
Im Mittelpunkt der Oper steht die junge Lucia Ashton, die Edgardo liebt, den letzten Spross der mit den Ashtons verfeindeten Familie Ravenswood. Doch nicht nur diese schwelende Fehde lastet auf dem Glück, denn auch Lucias Bruder Enrico macht seine Schwester zum Spielball seiner ganz persönlichen Ziele. Um sich selbst zu sanieren, verheiratet er sie mit dem reichen Lord Arturo Bucklaw. Edgardo wirft ihr daraufhin den Verrat ihrer Liebe vor. Lucia zerbricht und verfällt dem Wahnsinn.
Karten/Info: T 02 01 81 22-200 und an der Opernkasse, Opernplatz 10, Essen, sowie online unter www.theater-essen.de.
(ÜPM/Deianira)
Düsseldorf
„La traviata“ mit Startenor Juan Diego Flórez im Opernhaus
Zu Giuseppe Verdis „La traviata“ in Starbesetzung lädt der Freundeskreis der Deutschen Oper am Rhein am Samstag, 26. März, um 19.30 Uhr nach zweimaligem coronabedingten Ausfall seiner traditionellen Operngala ins Düsseldorfer Opernhaus ein. Mit der Partie des Alfredo Germont übernimmt der international gefeierte Tenor Juan Diego Flórez eine seiner Glanzpartien. An seiner Seite ist als Violetta Adela Zaharia zu erleben, deren Gastengagements sie ebenfalls regelmäßig an bedeutende Opern- und Konzerthäuser auf der ganzen Welt führen. ...
Essen
Spitzentanz zur Musik von Bach bis zu den Beatles
„Rock around Barock“ ist ab 24. Februar wieder im Essener Aalto-Theater zu sehen
Spitzentanz und Tango, historische Perücken und Petticoats, Barocktänzer auf Segways und Rockmusiker auf Rollschuhen – mit einem Augenzwinkern konfrontiert der Essener Ballettchef und Choreograf Ben Van Cauwenbergh in seinem Tanzabend „Rock around Barock“ die Klassik mit der Moderne. Ab Donnerstag, den 24. Februar, 19:30 Uhr ist das Ballett im Essener Aalto-Theater mit Musik von Bach bis zu den Beatles wieder zu erleben! War das Tanzen im Barockzeitalter bei Hofe noch eine sehr strenge, peinlich genaue Angelegenheit, ist spätestens im 20. Jahrhundert der höchst individuelle, persönliche Stil in Mode gekommen. Humorvoll spürt Van Cauwenbergh mit der Aalto-Ballettcompagnie den ganz unterschiedlichen Ausdrucksformen des Tanzens nach und lässt dabei auch die emotionalen und sinnlichen Momente der Tanzgeschichte nicht zu kurz kommen. Für diesen außergewöhnlichen Ballettabend hat er die Wiesbadener Rockband Mallet an die Ruhr geholt, die den Tänzer*innen auf der Bühne sowie dem Publikum im Saal ordentlich einheizt. (ÜPM, Aalto-Theater)
Karten (€ 11,00-55,00) im TicketCenter unter T 02 01 81 22-200 oder
E-Mail tickets@theater-essen.de oder im Internet unter www.theater-essen.de
Essen
Aalto-Theater
Premiere: „Herzog Blaubarts Burg“
Oper von Béla Bartók
Samstag, 19. Februar, um 19:00 Uhr
„Herzog Blaubarts Burg“ ist Schauplatz für Béla Bartóks gleichnamige Oper. Sie ist ein Ort voller Geheimnisse. Judith hat ihre Vergangenheit hinter sich gelassen und folgt Blaubart auf seine Burg. Sie will den Geheimnissen seiner Seele auf den Grund gehen. Die sieben verschlossenen Türen in der Burg sind ein Rätsel für sie ...
DIDO UND AENEAS
Oper in drei Akten von Henry Purcell
Libretto von Nahum Tate nach der „Aeneis“ von Vergil
Aalto-Theater Essen
Premiere: 2. Januar 2022
Inszenierung und Bühnenbild: Ben Baur
Musikalische Leitung: Andrea Sanguineti
Ben Baur inszenierte für das Aalto Theater in Essen die Barockoper „Dido und Aeneas“ von Henry Purcell. Szenisch und musikalisch überzeugte die Aufführung. Das Ensemble zeigte sich von seiner besten Seite und erhielt viel Beifall vom Publikum.
Purcells einzige Oper wurde vermutlich 1688 oder 1689 in London uraufgeführt. Der genaue Zeitpunkt ist strittig, eine frühere Uraufführung bei Hofe möglich. Die Oper basiert auf Vergils berühmten Epos „Aeneis“. Geschildert werden die Irrfahrten Aeneas, der aus dem zerstörten Troja flieht und auf Geheiß der Götter in Rom ein neues Troja gründen soll. In Karthago nimmt ihn die bezaubernde Königin Dido gastfreundlich auf und er verliebt sich in sie. Dido zögert, seine Liebe zu erwidern. Sie hat ihrem verstorbenen Mann ewige Treue geschworen. Die beiden werden ein Paar, doch ihr Glück wird durch den bösartigen Plan der Zauberin zerstört. Eine Tragödie bahnt sich an.
Unsere europäische Kulturgeschichte kennt zahlreiche berühmte Liebespaare, deren große Liebe tragisch endet. So ist es auch bei Dido und Aeneas. Auch ohne Kenntnis des historischen Stoffes lässt die Inszenierung von Beginn an ahnen, diese Liebesgeschichte geht nicht gut aus. Düster und dunkel hat Ben Baur das Bühnenbild gestaltet. In tiefschwarze Gewänder gehüllt, wandern weibliche Gestalten allein oder in kleinen Gruppen langsam über die mit Asche bedeckte Bühne. Punktuell brechen Lichter die Dunkelheit und setzen stimmungsvolle Akzente. Betörend schön mit einem Strahlenkranz auf dem Kopf erscheint Dido. Übergroß wird ihr Schatten an die Wand projiziert. Majestätisch schreitet sie bis zum Bühnenrand und fängt zu singen an. Wuchtig erklingt der Chor, entfaltet seine ganze Macht. Ein ästhetisch zutiefst anrührender und emotionaler Moment. Die Szene hat den Charakter eines Oratoriums. Mit nacktem Oberkörper, blutüberströmt und gezeichnet von grausamen Kämpfen, stolpert Aeneas auf die Bühne. Ein wilder Held, ein Fremdkörper, der so gar nicht zu Dido passen scheint, dessen Aussehen Brutalität assoziiert. Ein Handtuch wird ihm gereicht. Doch alles Rubbeln nutzt nichts, das Blut lässt sich nicht wegwischen.
Die beeindruckende Inszenierung offeriert menschliche Leidenschaften, zeigt Kummer und Verzweiflung der Protagonisten. Frauen dominieren die Handlung. Dido verliert bei all ihrem Unglück nicht an Haltung, zeigt Stärke und Entschlossenheit als Aeneas sie verlassen will. Belinda demonstriert Mut, wagt es der Königin Ratschläge zu erteilen. Der trojanische Held nimmt eher eine untergeordnete Stellung ein und fügt sich dem Befehl der Götter.
Das Motiv des Doppelgängers führt die Regie ein, um die dunkle Seite Didos zu illustrieren. Seit der Romantik erfährt der Doppelgänger in der Literatur eine Neubelebung. Königin und Zauberin sind in der Inszenierung identisch, treten mit gleicher Kleidung und Strahlenkranz auf und sind optisch kaum zu unterscheiden. In der Zauberin offenbaren sich negative Charaktereigenschaften Didos. Mit bösartiger List spinnt sie eine hinterhältige Intrige, paktiert mit Hexen, plant Vernichtungen um jeden Preis. Deutlich wird: für Dido und Aeneas haben die Götter kein Glück vorgesehen.
Die Essener Philharmoniker unter der Leitung von Andrea Sanguineti vermögen es Purcells eindringliche Musik mit immenser Ausdruckskraft und rhythmischer Prägnanz zum Strahlen zu bringen. Eindrucksvoll gestaltet Jessica Muirhead (Sopran) die Titelrolle der Dido, glänzt in der Interpretation des Lamentos im dritten Akt, der ihren großen Schmerz und ihre Verletzlichkeit offenbart. Bettina Ranch (Mezzosopran) überzeugt in der Rolle der Doppelgängerin. Mit einem kraftvollen Bariton imponiert Tobias Greenhaigh. Auf hohem Niveau der Aalto-Opernchor (Patrick Jaskolka). Christina Clark (Hexe und Hofstaat) und Giulia Montanari (Belinda und Hexe) beeindrucken in ihren Doppelrollen.
Begeistert feiert das Publikum die schlüssige Inszenierung und die brillante musikalische Darbietung.
Ursula Harms-Krupp
Gesehen am 16.01.2022.
Gelungener Bartók-Abend in Hagen
„Herzog Blaubarts Burg“ (Oper) und „Der wunderbare Mandarin“ (Ballett)
Premiere am 15.1.2022
Zuerst: das Orchester! Was die Hagener Philharmoniker unter Leitung ihres Chefs Joseph Trafton zustande brachten, war mehr als hervorragend! Bartóks auch heute noch revolutionär wirkende Musik zu beiden Stücken kam in aller Komplexität aus dem Orchestergraben, ihre jeweilige Charakteristik war sehr deutlich herausgearbeitet. Den noch dem Impressionismus verhafteten Klängen der „Blaubart“-Oper (1911 komponiert) standen die häufigen krassen und schrillen Dissonanzen des „Mandarins“ (1917) gegenüber. Die kündigten sich allerdings auch schon im „Blaubart“ an, vor allem anhand des „Blutmotivs“, einer kleinen Sekund-Dissonanz, die im Geschehen auf der Bühne in allen Episoden bildmächtig ihren Niederschlag fand. Bartóks Musik, vor allem die im „Mandarin“, ist keine seichte Musik zum Frühstück, sondern anstrengend, fordernd und sinnhaft, erfüllt voll Adornos Ausspruch, dass Kunst nicht die Welt, wie sie ist, bestätigen soll, sondern die Aufgabe hat, „Chaos in die Ordnung zu bringen.“ Und mit einem solchen Orchester als Partner lässt sich gut singen und tanzen!
Der Abend des Hagener Theaters bestand aus zwei Teilen. In der gut einstündigen Oper „Herzog Blaubarts Burg“ wurde auf der Bühne gesungen, in der Ballettpantomime „Der wunderbare Mandarin“ konnte das Hagener Ballett seine Qualität zeigen. Und wie!
Zu loben ist auch die Art und Weise, wie das Hagener Theater seine Zuschauer mitnimmt. Selten ist schon, dass der Intendant selbst das Publikum begrüßt und sich bedankt, dass es das Theater in den schweren Coronazeiten nicht im Stich lässt. Und dann informieren fundierte Einführungen durch die Dramaturginnen, Theaterzeitungen und vor allem das Programmheft intensiv und genau über die Intentionen von Regisseur und Choreograph. Das kommt dem Publikum sehr entgegen und lässt Elemente, die man vielleicht nicht sofort verstanden hat, nicht länger in rätselhaftem Dunkel.
Der Abend beginnt mit der Oper „Herzog Blaubarts Burg“. Der als Frauenmörder verdächtige Blaubart betritt mit seiner neuen Frau Judith seine Burg. Der Plot stammt aus einem Märchen von Charles Perrault, wurde vielfältig literarisch variiert, auch schon von Jacques Offenbach parodiert. Er beruht auf einem Grundmotiv, das auch heute noch leider immer wieder vorkommt: Starke und intelligente Frauen suchen sich die übelsten Machos aus und unterwerfen sich ihnen vollständig. Bei Bartók auch: Judith hat ihre Familie und sogar ihren Verlobten im Streit verlassen, um Blaubart zu folgen. Der Regie führende Intendant Francis Hüser zieht diese Schraube aber noch mehr als eine Drehung an. Bei ihm sitzt der überführte mehrfache Frauenmörder im orangen Sträflingsanzug im Hochsicherheitstrakt. Eine Psychologin soll im Auftrag der Staatsanwaltschaft ein Gutachten über ihn anfertigen und verliebt sich in ihn. Hybristophilie nennt man das, kommt auch immer wieder mal vor. Judith dringt so in seine Seele, in sein Inneres ein - so ist die Burg zu interpretieren. Aus den im Original zu öffnenden verbotenen Türen werden in dieser Inszenierung sieben Episoden. Von den ersten beiden – Folter- und Waffenkammer -, in denen Blaubart seine Gefährlichkeit zeigt, lässt sich die Psychologin in ihrer Verliebtheit aber nicht beeindrucken, entdeckt dann in den beiden nächsten – Schatzkammer und geheimer Garten – offensichtlich positive Aspekte. Höhepunkt ist die fünfte Episode – Blaubart zeigt Judith seine Ländereien, im Hagener Video die Welt (u.a. Stonehenge), was sie weiterhin bestätigt, wobei sie das in jeder Episode fließende Blut (hier erklingt jedes Mal im Orchester das Blutmotiv) ignoriert. Dem entsprechend haben sich auch die Zellengitter gehoben und die Bühne ist frei. Was sich als Wunsch und Projektion in Judiths Kopf abspielt, wird im Video gezeigt, als Liebesszene. Danach, in der Tränensee-Episode und als es um Blaubarts frühere abgelegte Frauen geht, scheint sich die Psychologin zu besinnen, die Liebesszene im Video zerbirst und die Gitter senken sich wieder.
Durch diese Interpretation wird das eher statische Geschehen intensiviert und lebendig gestaltet. Dieser Interpretation und dem Orchester fügen sich die beiden Solisten hervorragend ein, beide haben auch das Stimmvolumen, um sich gegen die oft lauten Orchesterklänge ohne große Anstrengung durchzusetzen. Dorottya Láng als Gast singt die Judith in beeindruckender Weise, und den Blaubart kann das Hagener Theater sogar aus seinem eigenen Ensemble besetzen: Dong-Won Seo besitzt eine derart sonore und raumfüllende Stimme, dass man nur staunen kann. Großer Beifall!
Die unglaublich intensive und expressive Pantomime „Der wunderbare Mandarin“ dauert nur eine gute halbe Stunde, hat es aber in sich. Leichte Verständnisschwierigkeiten stellen sich ein, wenn man dem ursprünglichen Libretto folgen will, das Not und Elend nach dem ersten Weltkrieg als Grundlage hat. Drei Strolche (=Zuhälter) zwingen ein junges Mädchen, sich zu prostituieren und Männer anzulocken, um sie auszurauben. Zwei Kunden werden sofort herausgeworfen, weil sie mittellos sind. Der dritte Kunde, ein exotischer Mandarin, erzeugt beidem Mädchen zuerst Panik, bevor es doch zu einer Annäherung zwischen den beiden kommt. Die Zuhälter versuchen dreimal vergeblich, den Mandarin zu ermorden. Er stirbt erst, als sich das Mädchen ihm zärtlich zuwendet.
Dies hat der renommierte Choreograph Kevin O´Day verändert, und er legt Wert darauf, dass die Choreographie zusammen mit dem Ensemble entwickelt und in die Gegenwart geführt wurde. Statt der nur sieben Personen des ursprünglichen Librettos tritt das gesamte Hagener Ballettensemble auf, eingeteilt in drei Gruppen: Sexarbeiter*innen, Kund*innen und Schlepper*innen, wobei die Geschlechter innerhalb aller drei Gruppen unterschiedlich sind. Der Mandarin tritt als Person gar nicht auf, sondern ist hier die „Mandarin-Bar“, die ein wenig an ein Bordell erinnert. An diesem Ort (die Drehbühne wechselt häufig zwischen verschiedenen Räumen) spielen sich die Handlungsbögen ab, die aus dem ursprünglichen Libretto übernommen sind. So werden die Tötungsversuche mit Matten und Kissen auch choreographisch dargestellt, ebenso wie das mitunter eher gewaltsame Miteinander-Umgehen der Menschen. Das Programmheft und die Interviews mit O´Day helfen hier ungemein. Aber auch wenn man die Handlung nicht oder nur in groben Zügen verstand, beeindruckte die Rasanz und Intensität aller Tänzerinnen und Tänzer. Auch die tänzerische Darstellung der Handlungsbögen zwischen Spannung und Lösung gelang hervorragend, die temporeichen Massenszenen waren grandios choreographiert. Und alle Details der Musik waren präzise und sensibel in allen Szenen in Bewegung umgesetzt. Ein besonderer Effekt: Kurz vor dem Ende, eine Fermate der Musik ausfüllend, verwandelte sich das Tanzensemble in ein Percussionsorchester und benutzte die Bühne als Drumset.
Das Publikum war restlos begeistert und feierte Ballettensemble und Choreographen lange, schloss schließlich auch Sänger, Dirigent, Orchester und Regieteam der Oper mit in seinen Beifall ein.
Ein spannender, äußerst anregender Abend mit Oper und Ballett!
Fritz Gerwinn, 17.1.2022
Weitere Vorstellungen: 22.1., 30.1., 3.3., 30.3.2022
Gilbert und Sullivan: Die Piraten
Premiere am 9. Januar 2022 im Wuppertaler Opernhaus
Ein Riesenvergnügen! Und endlich wieder im Opernhaus!
Begeisterter Beifall für die „Piraten“ von Gilbert und Sullivan, Publikum, Chor, Solisten und alle Mitwirkenden in Sektlaune (den gab es aber nicht, wegen Corona), ein toller Abend, der erste wieder im Wuppertaler Opernhaus. Die Technik der Unterbühne ist noch lange nicht nutzbar, es funktioniert aber schon sehr viel. Ein Glück!
Aber warum hat man von Gilbert und Sullivan noch nie etwas gehört? Stimmt das?
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Neujahrskonzert 2022 in der Philharmonie Essen
Operettengala „Freunde das Leben ist lebenswert“
Das traditionelle Neujahrskonzert in der Philharmonie erfreut sich seit je her großer Beliebtheit. Die bange Frage, ob die neue Corona Schutzverordnung die Operetten-Gala überhaupt zulasse, beunruhigte längere Zeit das verantwortliche Team. Groß die Freude dann, als es hieß, die Gala kann stattfinden.
Auf dem Programm standen Werke von Franz von Suppé, Franz Lehár, Emmerich Kálmán, Luigi Arditi und Richard Heuberger. Das Motto des Abends: „Freunde das Leben ist lebenswert“, spiegelte auch die Spielfreude der Philharmoniker unter der Leitung des Dirigenten Andrea Sanguineti. Die Arie aus "Giulietta" darf zugleich als ein Zeichen der Hoffnung und des Aufbruchs gewertet werden. Das Leben wieder genießen, optimistisch auf das neue Jahr schauen, den Mut nicht verlieren. Auch wenn der Blick ins Publikum nicht wie sonst fröhliche Gesichter erkennen ließ, sondern überwiegend FFP2 Maskierte.
Fulminante Akzente setzt Sanguineti gleich zu Beginn des Abends mit der Ouvertüre zu Franz von Suppés "Dichter und Bauer". Suppés geniale Musik verbindet komödiantischen Übermut und starke Assoziationen, die die Philharmoniker präzise vertonen. Sanguineti bildete die Musik fast körperlich ab und die exzellenten Philharmoniker folgen ihm genauestens, ebenso wie Solisten und Solistinnen. In der Ouvertüre zu „Leichte Kavallerie“, glaubt man das Dahinjagen galoppierender Pferden zu vernehmen.
Die Vielseitigkeit Sanguinetis zeigte sich in der Interpretation der Werke, ist mal zündend temperamentvoll und rasant, mal gefühlvoll-leise und voller Schmelz, wenn Walzerseligkeit gefragt ist. Immerhin steht die Strauß Dynastie mit ihren Werken einige Male auf dem Programm. Walzer und Wien, als untrennbare Einheit, verzaubern in der Operetten-Gala mit „Wiener Blut“ „Ein Walzertraum“ und "Rosen aus dem Süden"das Publikum.
Die brillante Sopranistin Irina Simmes zeichnet sich durch mitreißende Dramatik und Leidenschaft im sicher geführten Sopran aus. Besonders beeindruckt sie mit dem Koloraturwalzer „Il bacio“ und der Arie aus der Csardasfürstin „Heia in den Bergen ist mein Heimatland“.
Richard Samek (Tenor) überzeugte in seinen Partien mit farbenreicher Gestaltung. Besonders gefällig sein schmelzendes Timbre.
Vergnügt kündigt Sanguineti zum Schluss noch drei Zugaben an. Fürs begeisterte Publikum könnte es noch lange weitergehen. Mit viel Applaus und Standing Ovations bedankt es sich für den großartigen Abend.
Wuppertal
Die Wuppertaler Oper kann wegen der Hochwasserschäden weiterhin nicht bespielt werden.
Für Salvatore Sciarrinos neue Oper „Il canto s´attrista, perché? fand man im Erholungshaus in Leverkusen eine geeignete Ersatzspielstätte. Das Erholungshaus ist ein relativ großes Theater mit einem ansteigenden Zuschauerraum, wie geschaffen für die packende Inszenierung einer der bekanntesten Geschichten der griechischen Mythologie. Von allen Plätzen aus kann man gut sehen.
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Dichte Inszenierung, tolle Solisten, exzellentes Orchester
Händels „Julius Caesar“ in den Wuppertaler Riedelhallen
Premiere am 3.10.2021
Was für ein Pech! Durch Corona konnten viele fertig geprobte Stücke nicht gespielt werden, lagen auf Halde. Mit der neuen Saison wollte man am Wuppertaler Opernhaus wieder richtig loslegen. Und dann kam das Hochwasser und flutete den Orchestergraben. Bis 2023 soll es dauern, bis alles wieder benutzbar ist. Guter Rat war also teuer. Und Intendant und Management, kreativ und notwendigerweise permanent flexibel, fanden und finden gute Lösungen. Die erste Frucht dieser Kreativarbeit war sehr wohlschmeckend: Händels „Julius Caesar“. Nicht von Immo Karaman für die große Bühne inszeniert (das soll später nachgeholt werden), sondern von Karin Kotzbauer-Bode als Musikinstallation in den Werkstätten der Wuppertaler Bühnen eingerichtet. Fazit vorneweg: voll gelungen.
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Essen - Aalto Theater
Mozarts „La finta giardiniera“
Premiere am Samstag, 2. Oktober 2021, um 19:00 Uhr im Aalto-Theater
Das Aalto-Musiktheater präsentiert Wolfgang Amadeus Mozarts Jugendwerk „La finta giardiniera“ (Die Gärtnerin aus Liebe) am Samstag, 2. Oktober 2021, um 19:00 Uhr. Es ist die erste Premiere der Spielzeit 2021/2022.
Die Oper ist eine Geschichte voller Irrungen und Wirrungen. Sandrina ist in Wahrheit die Marchesa Violante Onesti. Da ist es nicht weiter verwunderlich, dass es sich um ein Auftragswerk anlässlich des Münchner Karnevals handelt. Denn jede der sieben Figuren verbirgt ihr wahres Ich hinter der Maske des schönen Scheins oder findet erst in der Verkleidung zu ihrem wahrhaftigen Selbst. Denn Mozart wäre nicht Mozart, wenn er nicht auch hier zeitgenössische Liebes- und Beziehungskonzepte hinterfragen würde. Als er den Auftrag zur Komposition 1775 erhielt, war er gerade einmal 18 Jahre jung. Umso erstaunlicher ist es, wie radikal neu das Werk anmutet.
(ÜPM/deianira/TUP)
Info/Karten: 0201 8122 200
Wuppertal
Luigi Nono
Intolleranza 2021
Premiere am 4. Juni 2021, Opernhaus Wuppertal
Eigentlich als Schluss- und Höhepunkt der Feiern zu Engels´ 200. Geburtstag gedacht, musste die fertig geprobte Aufführung 2020 erst verschoben und dann ganz abgesagt werden. Damit die Arbeit von Regie-Altmeister Dietrich Hilsdorf und der auch auf der musikalischen Seite exquisiten Besetzung aber nicht ganz in der Versenkung verschwand, hatten sich die Wuppertaler Bühnen für eine andere Lösung entschieden: die Premiere fand also im Opernhaus statt, coronabedingt aber nur für geladene Kritiker. Die Oper kann dann noch an vier Terminen im Stream angesehen werden. ...
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Essen. Jugendliche des StadtEnsembles präsentieren digitales Wahrnehmungsspiel ...
Wuppertal
Hochklassige Premiere vor dem neuen Lockdown
Rossinis „Barbier von Sevilla“ konzertant und gekürzt im Wuppertaler Opernhau
Premiere am 31.10.2020
Intendant Berthold Schneider und Dirigentin Julia Jones traten zum Schluss auf die Bühne und nahmen deutlich Stellung zur neuen Pause der Kunst durch Corona. Immerhin war es die letzte Aufführung vor dem neuen Lockdown. Sie tragen das mit, bedauern es aber sehr, hätten es gern anders, differenzierter als einen Monat Komplettpause gehabt. Schneider erhielt viel Beifall, als er von Systemrelevanz sprach und forderte, Überlegungen anzustellen, welches System man damit meine und mit welchem System man mit oder nach Corona leben wolle. Der große Applaus nach dem Statement der beiden zeigte dann auch die Solidarität der Besucher mit dem Opernpersonal und allen Mitwirkenden. ...
Foto: Klaus Lefebvre
Foto: Klaus Lefebvre
theaterhagen
Operette
Eine Operette zu Coronazeiten, da muss viel beachtet werden. Unser Redakteur, Fritz Gerwinn, beschreibt die Situation im Theater.
Paul Abrahams „Blume von Hawaii“ im theaterhagen
Fast hätte man sich gewünscht, dass eine gute Fee Corona weggezaubert und das Haus bis auf den letzten Platz mit Publikum gefüllt hätte. Die Inszenierung hätte das verdient gehabt. Leider fordert die Wirklichkeit andere Maßnahmen. Die Verhältnisse, die sind nicht so.
Die Corona-Maßnahmen waren beachtlich. Um zu seinem Platz zu gelangen, mussten unterschiedliche Eingänge benutzt werden, durch die man nach der Vorstellung das Theater auch wieder verlassen musste. ...
Wuppertal
Ausstellungen
Das von-der-Heydt Museum in Wuppertal plant folgende Ausstellungen für 2021/2022
Goldene Zeiten - Die Sammlung Niederländischer Kunst und ihre Geschichte
28. Februar 2021 – 27. Februar 2022
Hans-Christian Schink (Freundschaftsanfrage 1)
28. März 2021 – 15. August 2021
Aus der Zeit gerissen. Joseph Beuys: Aktionen – fotografiert von Ute Klophaus
21. September 2021 – 9. Januar 2022
Brücke und Blauer Reiter
23. November 2021 – 27. Februar 2021
Wuppertal
Oper
Federleicht mit Abstand
Brillante neue „Zauberflöte“ im Wuppertaler Opernhaus
Premiere am 13.9.2020
Endlich: die langersehnte Saisoneröffnung der Wuppertaler Oper nach dem Corona-Abbruch der letzten Spielzeit. Wie würde man das lösen? In Salzburg hatte es Abstand und Begrenzung der Zuschauerzahlen gegeben, dagegen durchaus Körperkontakt auf der Bühne und deshalb viele Tests. Um es vorweg zu sagen: in Wuppertal gab es eine schlüssige, kreative Lösung, Bestandteil einer erfolgreichen Arbeit des gesamten Regieteams, die das Publikum sehr erfreute, so dass der Schlussbeifall fast die Lautstärke eines vollen Hauses erreichte. Auch zwischendurch wurde immer wieder geklatscht, das belohnte aber nicht nur die tollen Leistungen der SängerInnen, sondern auch etliche Regieeinfälle ...
Orpheus und Eurydike, Ballett, Foto: Klaus Lefebvre
Orpheus und Eurydike, Ballett, Foto: Klaus Lefebvre
theaterhagen
Wunderbare Sängerinnen, authentische Musik, durchdachte, überzeugende Regie
Glucks „Orpheus und Eurydike“ am theaterhagen
Premiere am 29.2.2020
Schon allein der drei Sängerinnen wegen lohnt es sich, nach Hagen zu fahren und eine Vorstellung von Glucks „Orpheus und Eurydike“ zu besuchen. Von der Mailänder Scala hatten die Hagener für die Rolle des Orpheus die Altistin Anna-Doris Capitelli geholt, und das war ein Volltreffer. Selten kann man eine so schöne Stimme hören: voluminös, raumfüllend, wohlklingend, nuancenreich und ausdrucksstark, die Sängerin erfüllte aber auch schauspielerisch die emotionalen Vorgaben der Handlung. Die beiden anderen Rollen konnte das Theater mit eigenen Kräften besetzen. Angela Davis sang und spielte die Eurydike, die gar nicht sogerne das Elysium in der Unterwelt verlassen will, mit intensivem Ausdruck in Stimme und Spiel, eine starke Frau, die genau weiß, was sie will. Und Cristina Piccardi verkörperte sehr glaubhaft mit glockenreinem Sopran den Gott Amor, der aus dem Publikum auf die Bühne steigt, im Handumdrehen alles ändern will, dabei aber scheitert. ...
Wuppertal
Intelligentes Vergnügen
Donizettis „Liebestrank“ im Wuppertaler Opernhaus
Premiere am 22.2.2020
Das Premierenpublikum hatte seinen Spaß, belohnte die guten Ideen auf der Szene, oft aus der Musik entwickelt und von Sängern und Orchester hervorragend umgesetzt, mit Zwischenbeifall. Die Inszenierung von Stephan Prattes (seine erste Arbeit als Opernregisseur) war alles andere als bieder. Kein italienisches Dorf im 19. Jahrhundert, jeglicher Naturalis-mus war komplett ausgetrieben, der Regisseur machte deutlich, dass so eine Geschichte überall und zu allen Zeiten vorkommen kann und passiert. ...
Essen
Aalto Theater
Musical-Revue
Yesterdate - Ein Rendezvous mit den 60ern
Musical-Revue von Heribert Feckler und Marie-Helen Joël
Premiere: Samstag, 8. Februar 2020
In der westlichen Kulturgeschichte nehmen die 60er Jahre einen besonderen Stellenwert ein. Althergebrachten Konventionen und verstaubten Denkmustern wurde der Kampf angesagt. Kurz gesagt, es handelte sich um eine Zeit mit großen Veränderungen in vielen Lebensbereichen. In der Musikwelt sind es die Songs der Beatles, der Rolling Stones und viele anderer Bands, die eine Revolution in Gang setzen. Rockmusik wurde zu einem Synonym für die Rebellion der Jugend gegen die Erwachsenen.
Marie-Helen Joël und Heribert Feckler gehen mit ihrer Musikrevue auf eine aufregende Zeitreise in die 60er. Bis zur Pause nimmt die Zeitmaschine nur langsam Fahrt auf, erst im 2. Akt dreht sie kräftig auf. ...
Trump, Nexit und Putins unehelicher Sohn
Lortzings „Zar und Zimmermann“ in Hagen, brillant neu erzählt
Premiere am 1.2.2020
Albert Lortzings Opern wurden seit den 70er Jahren kaum gespielt. Seine Opern standen unter Biedermeierverdacht, galten als harmlose Spielopern, mit denen man sich einen schönen Abend machen konnte, ohne auch nur um einen Hauch ins Politische abzugleiten, waren deshalb in den 50er und 60er Jahren der Bundesrepublik sehr beliebt. Was war also zu erwarten, wenn diese Oper wieder auf dem Programm steht? Inzwischen wurde zwar bekannt, dass Lortzing sogar eine Revolutionsoper, „Regina“, geschrieben hat? Und die Hagener Theatermacher legen laut Programmheft Wert darauf, dass dieser Komponist nicht nur ein Kind des Biedermeiers ist, sondern seine Werke auch zu ihrer Entstehungszeit durchaus schon etwas Widerständiges entfaltet haben. Aber wie sollte eine von der aktuellen Wirklichkeit weit entfernte Handlung auf die Bühne gebracht werden?
Um es kurz zu machen: es wurde ein brillanter Abend. weiter ...
Hagen
Brillante Zeitreise
Offenbachs "Hoffmanns Erzählungen“ in Hagen
Premiere am 30.11.2019
Wieder eine erfolgreiche Premiere in Hagen: Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“. Am Schluss gab es minutenlangen Beifall und zwischendurch auch immer wieder spontanen Szenenapplaus für die Sänger und Sängerinnen. ...
Wuppertal
Puccinis „La Bohème“ im Wuppertaler Opernhaus
Premiere am 2. November 2019
Beim Betreten des Zuschauerraumes sieht man ein großes Paket auf der Bühne. Das klappt mit den ersten Tönen nach oben und unten auf, öffnet den Blick auf das kleine Zimmer, in dem die vier Bohemiens hausen.
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Hagen
Operette
Federleichtes Operettenspektakel
Lehárs „Graf von Luxemburg“ im theaterhage
Premiere am 26.10.2019
Zu Beginn sitzt René, der Graf von Luxemburg, missmutig auf einer Mondskulptur, bevor es wieder richtig losgeht: eine Karnevalsgesellschaft holt ihn wieder in sein altes Leben ab, in dem er sein Geld nur so verjubelt hat. Eine junge Frau im Skelett-Kostüm erinnert ihn, dass das Leben endlich ist und er es so, wie es kommt, genießen soll. Im Laufe des Stücks gerät er aber doch ins Überlegen und gegen Ende auch in (wahrscheinlich)ruhigeres Fahrwasser. Die Geschichte wird im Hagener Theater leichtfüßig und gut nachvollziehbar auf die Bühne gebracht. Auffallend viel jüngeres Publikum applaudierte am Schluss frenetisch. ...
Essen
Aalto Theater
Pique Dame
Pjotr I. Tschaikowski
Oper in drei Akten von Pjotr I. Tschaikowski
Libretto von Modest Tschaikowski
Nach der gleichnamigen Erzählung von Alexander Puschkin
In russischer Sprache mit deutschen Untertiteln
Musikalische Leitung Tomas Netopil
Inszenierung Philipp Himmelmann
Alles auf eine Karte
Philipp Himmelmann inszeniert Pjotr I. Tschaikowskis Meisterwerk „Pique Dame“ für das Aalto- Theater in Essen. Warum die Oper "Pique Dame" heißt, erschließt sich erst am Schluss. Da zieht Protagonist Hermann die falsche Karte. Statt des Asses, wie prophezeit von der Gräfin, die Pique Dame. Damit besiegelt er sein Schicksal. Die Fassung für das Aalto streicht der Regisseur auf zwei Stunden mit schlüssiger Stringenz. ...
Hagen
Wozu Kunst?
Goldschmied Cardillac als Kunst-Terrorist
Hindemiths Oper „Cardillac“ im theaterhagen
Premiere am 21. September 2019
Die Geschichte von Cardillac, zum ersten Mal von E.T.A. Hoffmann erzählt, hätte auch als Krimi auf die Bühne gebracht werden können. Ganz Paris fürchtet eine neue Tat eines Serienmörders, alle Opfer sind interessanterweise Käufer der Schmuckstücke des hochgeschätzten Goldschmieds Cardillac. Dieser ist aber selber der Mörder, weil er sich von seinen Werken nicht trennen kann, wird schließlich aber enttarnt und gelyncht ...
Wuppertal
Igor Strawinsky
OEDIPUS REX
Premiere: Sonntag 15. September 2019, 18 Uhr
Oedipus als Täter
Timofey Kulyabin inszeniert Strawinsky im Wuppertaler Opernhaus
Der Wuppertaler Opernintendant Berthold Schneider beginnt die Saison gerne mit unkonventionellen Paukenschlägen. So einen gab es gleich am Anfang der neuen Spielzeit. Timofey Kulyabin, der schon den „Rigoletto“ 2017 überzeugend neu erzählt hatte, inszenierte Strawinsky, „Les Noces“ und „Oedipus Rex“, zwei eigentlich selbstständige Stücke, die er aber durch seine Regie verband und in die Gegenwart holte. Die von Sophokles überlieferte Geschichte wurde neu erzählt, ohne nur ein Wort des Textes und eine Note der Musik zu verändern. ...
Wuppertal
Ein wunderbares Erlebnis: Oper für alle
Community-Oper „Das Labyrinth“ von Jonathan Dove in Wuppertal
Premiere am 5.7.2019
Die Premiere mitgerechnet nur vier Aufführungen, alle restlos ausverkauft. Warum nicht mehr? Das Rätsel löst sich, wenn man erklärt, was eine Community-Oper ausmacht. In Freiburg, wo das auch schon gemacht wurde, nannte man das „Schnittstelle zwischen zeitgemäßer Musikvermittlung und Kunst“, hieß also Oper mit, von und für Laien mit dem Ziele der kulturellen Teilhabe von möglichst vielen. Die einstündige Oper „Das Labyrinth“ von Jonathan Dove, 2015 in Aix-en-Provence uraufgeführt und schon von einigen Theatern übernommen, ist so komponiert, dass sie Laien die Möglichkeit bietet, als Sänger oder Instrumentalist eine Opernaufführung mitzugestalten, dies alles aber auf hohem kompositorischem und musikalischem Niveau. ...
Wuppertal
Die tote Stadt (Erich Wolfgang Korngold
Premiere 16. 06.2019
Traum und Trauma
Vorletzte Premiere der Saison 18/19 im Wuppertaler Opernhaus. Wieder gab es großen Beifall, standing ovations am Schluss. Korngolds Oper, nach heutigem Wissen in Wuppertal zum ersten Mal aufgeführt, ist ein wunderbares Stück, sollte öfter gespielt werden. Das Thema ist morbide genug. Paul trauert auch nach Jahren immer noch um seine verstorbene Frau Marie, lernt dann eher zufällig die Tänzerin Marietta kennen, die Marie äußerlich aufs Haar gleicht, aber sonst das krasse Gegenteil verkörpert. Paul verlässt sein Trauerzimmer immer nur zu einem abendlichen Spaziergang, während Marietta zu einer halbseidenen Theatertruppe gehört, die gerade in Brügge gastiert. Das verursacht eine krisenhafte Entwicklung. ...
Hagen
Rauschhafte Musik, innovative Regie
Wagners „Tristan und Isolde“ im theaterhagen
Premiere am 7. April 2019
Der Vorhang geht auf, kein Schiff, auf dem Isolde mit Brangäne unter Deck sitzt, auf der Fahrt zu König Marke nach Cornwall. Stattdessen fünf zimmerartige Gebilde für die fünf Hauptpersonen, Tristan und Marke in der ersten Etage, Isolde und Brangäne im Parterre, Kurwenal in einem schmalen feuertreppenähnlichen Gebilde am rechten Rand. Und diese Räume werden die Personen während des gesamten Stücks, immerhin vier Stunden lang, nicht verlassen. In der Mitte befindet sich noch eine schmale, beleuchtete Kabine, in der ein Herr im Frack steht, mit dem Klavierauszug in der Hand, und das Lied des jungen Seemanns singt. Da hat sich das Regieteam offensichtlich einiges überlegt.
Essen
OTHELLO
Dramma lirico in 4 Akten
von Guiseppe Verdi
Aalto Theater Essen
Text von Arrigo Boito nach Shakespeares Othello (1604)
Uraufführung 5. Februar 1887 in Mailand, Teatro alla Scala
Premiere 2. Februar 2019
gesehen: 9. März 2019
Desdemona, Jago und Otello gelten als berühmte Theaterfiguren, die in die Literaturgeschichte eingegangen sind. Für das Essener Aalto Theater inszenierte Regisseur Roland Schwab die Verdi Oper »Otello« und erfüllt sich damit einen Herzenswunsch. Ein großer Erfolg für ihn und eine Glanzleistung des Ensembles. ...
Hagen
Rossinis „Turco in Italia“ im theaterhagen
Premiere am 2.2.2019
besuchte Vorstellung am 8.Febeuar 2019
Begeisterung beim Publikum in Hagen. Es feierte sowohl die artistischen Leistungen der Solisten als auch die oft brillanten Einfälle der Regie. Christian von Goetz gilt als Rossini-Spezialist. Dies bestätigte er durch seine Arbeit mit dem hervorragend aufgelegten Hagener Ensemble. ...
Wuppertal
Verdis Luisa Miller im Wuppertaler Opernhaus
Premiere am 8.12.2018
Großer Opernabend in Wuppertal. Langer Beifall am Schluss, aber schon während der Aufführung immer wieder Zwischenbeifall für die Leistungen der Sängerinnen und Sänger. Und die Wuppertaler Generalmusikdirektorin Julia Jones befeuert mit ihrem Orchester noch die Dramatik des Stücks und macht damit deutlich, dass „Luisa Miller“ keinen Vergleich mit den viel öfter gespielten Publikumsrennern Verdis zu scheuen braucht ...
Essen
"Carmen"
Opèra Comique in 4 Akten von Georges Bizet
Libretto von Henri Meilhac und Ludovic Halèvy nach der Novelle von Prosper Mèrimèe
Premiere: 13.10.2018
Carmen. Der Inbegriff der Weiblichkeit, der Schönheit, der feurigen Leidenschaft. Bizets Oper feierte Premiere im Aalto Theater. Musikalisch eine Glanzleistung, die szenische Umsetzung gefiel weniger.
Hagen
Jacques Offenbachs Pariser Leben im theaterHagen
Grandiose Eröffnung des Offenbach Jahres
Premiere am 27.10.2018
Was ist typisch französisch? Ein Croissant, das raucht und ständig um Feuer bittet! So war das jedenfalls in Hagen als running gag. Es gab viel zu lachen in dieser wunderbaren Aufführung von „Pariser Leben“ von Jacques Offenbach, ohne dass der ernstere Hintergrund verloren ging.
Wuppertal
Überzeugende Aufführung von Léhars „Land des Lächelns“ im Wuppertaler Opernhaus
Premiere 14. Oktober 2018
Großer Beifall am Schluss für Solisten, Orchester und Regieteam für die Inszenierung des „Land des Lächelns“ von Franz Léhar. Dabei kam das Regie-Bühnenbild-Konzept in Wuppertal schon zum dritten Mal zum Tragen. Zusammenarbeit mehrerer Opernhäuser in dieser Hinsicht ist nicht nur keine schlechte Idee, sondern das Gebot der Stunden, denn warum sollte eine gelungene Inszenierung nur an einem Ort gezeigt werden, zumal die Mittel für Kultur immer knapper werden. ...
Hagen
Everest-Drama im Zauberberg
Europäische Erstaufführung im theaterhagen
Premiere am 5. Mai 2018
Was Oper angeht, ist am theaterhagen einiges los. Am 5. Mai stand sogar eine europäische Erstaufführung an: die Oper „Everest“ des englischen Komponisten Joby Talbot (*1971), 2015 in Dallas uraufgeführt. Obwohl ihr von Kritikern bescheinigt wurde, dass ihr ein bleibender Platz im Opernrepertoire sicher sei, wurde sie seitdem in Europa noch nicht aufgeführt. Jetzt endlich, Hagen sei Dank. Das Theater hatte sogar den Komponisten eingeladen, der sich eine Stunde vor Beginn vorstellte und locker und gutgelaunt über seine Musik und seine Oper erzählte (übrigens von der Dramaturgin Corinna Jarosch hervorragend übersetzt und zusammengefasst). Das Interview war so anregend, dass zwischen seinem Ende und dem Beginn der Oper gerade mal fünf Minuten Zeit blieb.
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Hagen
Das schlaue Füchslein
Oper von Leoš Janáček in drei Akten
Nach der Erzählung von Liška Bystrouška
Von Rudolf Těsnohlídek
In deutscher Sprache
Fritz Gerwinn hat das schlaue Füchslein in Hagen besucht
Eine Schande der Tierwelt ist’s, das Menschenvolk!«
»Ein heiteres Stück mit einem traurigen Ende« nannte Janáček seine Oper, zu der ihn eine Bildfolge in einer tschechischen Tageszeitung inspirierte.Die Begeisterung war groß am Premierenabend.
Wiedermal ist es gelungen, das Publikum mit einer herausragenden Inszenierung in den Bann zu ziehen. Besonders beeindruckend auch die ausgezeichnete Leistung des Orchesters unter der Leitung von Chefdirigent Joseph Trafton
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Wuppertal
Neuentdeckung einer surrealistischen Oper
Bohuslav Martinus „Julietta“ im Wuppertaler Opernhaus
Lange war die 1938 entstandene Oper „Julietta“ von Bohuslav Martinu in
Vergessenheit geraten. In den letzten Jahren wurde sie wiederentdeckt, in
mehreren größeren Städten inszeniert. Nun also auch in Wuppertal.
Gleichzeitig mit der Wuppertaler Premiere wurde im Internet auf
operavision die Neuinszenierung dieses Werkes aus Prag ausgestrahlt, der
Stadt der Uraufführung. Man durfte also gespannt sein.
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Wuppertal
Musical
„My Fair Lady“ von Frederick Loewe und Alan J. Lerner in Wuppertal
Premiere am 22. Oktober 2017
"MY Fair Lady" ist eines der beliebtesten und am meisten gespielten Musicals. In Wuppertal freute man sich über ein volles Haus und ein begeistertes Publikum
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Hagen
Oper
Die Zauberflöte
Gudrun Pelker (Dritte Dame), Kristine Larissa Funkhauser (Zweite Dame), Dorothea Brandt ( Pamina)
Intelligent und witzig: Mozarts Zauberflöte im theaterhagen
Noch einmal ein Zauberflöte? Kann es da noch Überraschungen geben? Ist nicht alles schon gesagt?
Nein, keineswegs! Der Regisseurin Annette Wolf gelingt im theaterhagen eine neue, faszinierende Deutung. Der bisher meist favorisierte Kampf: Gut gegen Böse, Hell gegen Dunkel wird umgedeutet. Zentral in der Inszenierung ist nun die Frage:" Wie gelingt es jungen Menschen sich gegen scheinbar übermächtige Erwachsene und Institutionen zu behaupten, um eine eigene Lebensperspektive zu gewinnen? weiter ...
"Fidelio"
Ludwig van Beethoven
Musikalische Leitung Florian Ludwig
Inszenierung Gregor Horres
Ludwig van Beethoven hat an seiner einzigen Oper "Fidelio" über zehn Jahre lang gearbeitet. In Hagen ist seine grandiose Musik zu hören. Die vielfach ausgezeichnete Autorin, Jenny Erpenbeck, hat für die Aufführung einen neuen Text verfaßt. In der Inszenierung von Gregor Horres blickt eine gealterte Leonore zurück auf das Geschehen von einst, welches sie immer noch emotional beschäftigt. Ihre Illusionen hat sie verloren. weiter ...
Essen
Die comédie mêlée „L’amant anonyme“ des aus Guadeloupe stammenden Komponisten Joseph Bologne (1739(?) oder 1745 bis 1799) gehört zu den Raritäten des Opernrepertoires. Unter dem Titel „L’amant anonyme oder Unerwartete Wendungen“ kommt das Stück am Samstag, 16. März 2024, um 19:00 Uhr als außergewöhnliches Beteiligungsprojekt auf die Bühne des Aalto-Theaters. Musiker*innen, Ensembles und Bürger*innen der Stadt wirken mit und entwickeln neue Erzählformen für das Musiktheater. Die ungarische Regisseurin Zsófia Geréb ist für die Inszenierung der Kerngeschichte verantwortlich, der Schweizer Regisseur Alvaro Schoeck für die Integration und Umsetzung der partizipativen Elemente. Musikalische Leitung: Wolfram-Maria Märtig.
Info/Karten: 8122 200