Essen
Aalto Theater
Pique Dame
Oper in drei Akten von Pjotr I. Tschaikowski
Libretto von Modest Tschaikowski
Nach der gleichnamigen Erzählung von Alexander Puschkin
In russischer Sprache mit deutschen Untertiteln
Musikalische Leitung Tomas Netopil
Inszenierung Philipp Himmelmann
Bühne Johannes Leiacker
Kostüme Gesine Völlm
Licht Stefan Bolliger
Choreinstudierung Jens Bingert
Dramaturgie Svenja Gottsmann
Alles auf eine Karte
Philipp Himmelmann inszeniert Pjotr I. Tschaikowskis Meisterwerk „Pique Dame“ für das Aalto- Theater in Essen. Warum die Oper "Pique Dame" heißt, erschließt sich erst am Schluss. Da zieht
Protagonist Hermann die falsche Karte. Statt des Asses, wie prophezeit von der Gräfin, die Pique Dame. Damit besiegelt er sein Schicksal. Die Fassung für das Aalto streicht der Regisseur auf zwei
Stunden und präsentiert sie schlüssig und mit psychologischer Stringenz. In den Titelpartien sind Gabrielle Mouhlen und Sergey Polyakov zu sehen. Sie bestehen die Kraftanstrengung mit Bravour.
Die erste Premiere der neuen Spielzeit ist geglückt.
Dezember 1890. Im Petersburger Mariinsky Theater feiert „Pique Dame" Premiere. Das Drama über eine tragische Liebe und krankhafte Spielleidenschaft wird ein
Riesen-Erfolg für Tschaikowsky. Es krönt „sein Lebenswerk“, wie er selber bemerkte.
Von Johannes Leiacker stammt das Bühnenbild in Essen. Im Vordergrund eine riesige Pfütze, im Hintergrund eine zerstörte Landschaft mit schiefen Masten, alles grau und trist. Trostlosigkeit, wohin
man schaut, ein Krankenbett verstärkt noch den Eindruck. Freude am Leben sucht man hier vergebens. Hermann, ein mittelloser deutscher Offizier, verbringt die Zeit meistens mit seinen Freunden am
Spieltisch, ohne jemals selber die Karten in die Hand zu nehmen.
Die Inszenierung präsentiert ihn als Außenseiter, der sich in die adelige Lisa verliebt. Er weiß nicht, dass sie bereits mit Fürst Jeletzki verlobt ist. Sergey Polyakov brilliert in der Rolle des
Spielsüchtigen Protagonisten "Hermann", mit höhensicheren Tenor. Gabrielle Mouhlen imponiert als unglückliche Lisa mit dramatischem Sopran. Auch die übrigen Rollen sind glänzend besetzt.
Als Lisa mit ihrer Großmutter, der Gräfin erscheint, erzählt Tomsik eine rätselhafte Geschichte. Ein Geheimnis umgebe die zwielichtige Gräfin. Sie kenne drei Zahlen, mit denen man jedes
Glücksspiel gewinnen könne. Von großer Schönheit sei sie in ihrer Jugend gewesen und etliche Affären sagte man ihr nach. Das Wissen um die vermeintlichen Glückszahlen weckt augenblicklich
Hermanns Interesse und er setzt in seiner Gier alles daran, sie in Erfahrung zu bringen.
Die Zuschauer werden zu Voyeuren des Psychodramas, indem sich unterschiedliche Zeit- und Bewusstseinsebenen überlagern. Sie leiden mit Lisa, die zwischen Hoffnung und Verzweiflung schwankt,
nehmen erschrocken wahr, wie der Spieltrieb Hermanns Charakter verändert und letztendlich in den Wahnsinn treibt, und teilen mit der Gräfin die Erinnerung an längst vergangene Zeiten, in denen
rauschende Feste und prunkvolle Kostüme das Leben verschönerten.
Das Porträt der Zarin Katharina II. trägt die fantastische Helena Rasker in der Rolle der Gräfin ständig mit sich herum. Mit ihrer Bühnenpräsenz fasziniert die Altistin und strahlt eine Aura aus,
der man sich szenisch und musikalisch nicht entziehen kann. Das Publikum erlebt, wie sie versucht, sich noch einmal gegen das Alter aufzubäumen und Hermann verführen will. In der beeindruckenden
Szene stakt sie mit kleinen Schritten und zuckenden Bewegungen über die Bühne. Die Gräfin bemerkt nicht, dass sich Hermann leise nähert und jeder ihrer Bewegungen exact nachahmt. Vehement fordert
er von ihr die Glückszahlen, verweigert aber ein erotisches Abenteuer. Mit den Worten „Hexe“, stößt er sie brutal von sich. Regungslos verharrt die alte Gräfin auf dem Bettrand. Ein Lichtschein
fällt auf ihren schmalen Rücken. Sie ist tot. Vertan die Chance, die drei Glückszahlen zu erfahren. Die kluge Lichtgestaltung von Stefan Bollinger unterstreicht die bedrückende Atmosphäre dieser
Szene.
Der Regie fehlt es jedoch nicht an Ideen, die geheimen Zahlen zu offenbaren. Aus dem Jenseits meldet sich der Geist der Gräfin und nennt die Drei.
Musikalisch bieten die Essener Philharmoniker unter der Leitung von Tomáš Netopil eine Glanzleistung. Aus dem Orchestergraben tönt die emotionsgeladene Musik
Tschaikowskys mit dramatischer Wucht und Leidenschaftlichkeit. Faszinierend die melancholischen Klänge.
Beeindruckend der Chor des Aalto-Theaters unter der Leitung von Jens Bingert.
Das Publikum bejubelt das gesamte Ensemble.
Fazit: Eine Aufführung, die man sich nicht entgehen lassen soll, unbedingt hingehen.
Nächste Vorstellung 17. Oktober 2019
Tickets: 0201 8122 200