Lucia di Lammermoor
Dramma a tragico in zwei Teilen von Gaetano Donizetti
Libretto von Salvadore Cammarano nach dem Roman „The Bride of Lammermoor“ von Sir Walter Scott
Inszenierung: Dietrich W. Hilsdorf
Musikalische Leitung: Giuseppe Finzi
Dramaturgie: Juliane Schunke (Dresden), Christian Schröder (Essen)
Dietrich W. Hilsdorf inszenierte für das Aalto-Theater in Essen Gaetano Donizettis Oper „Lucia di Lammermoor“. Bereits während der Aufführung erklangen laute Bravorufe, am Schluss großer Jubel
und Standing Ovation.
Walter Scott schrieb den Roman „The Bridge of Lammermoor“, der als Vorlage für Donizettis Oper „Lucia di Lammermoor“ diente. Die Geschichte spielt im 17. Jahrhundert, in Schottland. Zwischen zwei
Clans, den Ravenswoods und den Ashtons herrscht erbitterte Feindschaft. Lucia und Edgardo, zwei jüngere Mitglieder der verfeindeten Familien verlieben sich. Der Konflikt spitzt sich zu. Lucias
Bruder Enrico steht vor dem finanziellen Ruin. Er sieht nur einen Ausweg aus der Misere: die Vermählung seiner Schwester mit dem reichen Lord Buklaw. Sie weigert sich und trifft sich heimlich
weiter mit Edgardo. Derweil bereitet Enrico die Hochzeit mit Buklaw vor. Mit einer Intrige zwingt er Lucia, den Heiratsvertrag zu unterschreiben. Eine Katastrophe bahnt sich an.
Weniger ist mehr, dachten sich wohl Regisseur Dietrich W. Hilsdorf und Bühnenbildner Johannes Leiacker. Und konzentrierten sich darauf , die Liebestragödie mit wenigen Requisiten (schwarz-weiß)
auf die Bühne zu bringen: schwarzer Bühnenraum, schwarzer Tisch, auf dem ein Sarg platziert ist, ein Bett, ein grelles Lichtgitter riegelt den Bühnenraum ab, Lucias weißes Brautkleid, edle,
schwarze Kostüme von Gesine Völlm entworfen, ergänzen das ästhetische Gesamtkonzept. Die Hochzeitstafel schmücken Kandelaber, die festliche Akzente setzen.
Von Beginn an befindet sich Lucia auf der Bühne. Halb liegend auf dem Bett, trauert sie um ihre tote Mutter. Wütend bedrängt Enrico sie in die Heirat mit Lord Buklaw einzuwilligen. Von Normanno
hat er zuvor von der Verbindung zwischen Lucia und Edgardo erfahren. Auch Raimondo, Vertrauter Lucias und Bruder der beiden, versucht sie zu überreden. Vergeblich!
Die Inszenierung zeigt einige Besonderheiten: Raimondo, der in Scotts Erzählung ein Erzieher Lucias ist, wird bei Hilsdorf zu einem weiteren Bruder und Lady Ashton, die tot im Sarg liegt,
erwacht wieder und ermahnt Lucia Edgardo aufzugeben. Gemeinsam sitzen sie später am Brunnen, der bei Hilsdorf nur einer schwarzer Schacht ist. Der Geist einer Ahnin erscheint. Der Sage nach
soll ein eifersüchtiger Ehemann sie ermordet haben. Permanent bewegt sie die Lippen, so als habe sie etwas Wichtiges mitzuteilen.
Lieben, hassen, feiern und sterben geschieht auf engem Bühnenraum, (er öffnet sich nach einigen Bildern, wenn die Hochzeitsgesellschaft Einzug hält). Mit Wehmut darf von der Schönheit der
schottischen Landschaft geträumt werden, auf der Bühne erinnert nichts daran.
Für seine Präzision in der Figurenführung ist Regisseur Hilsdorf bekannt. Motive und Charaktere der Figuren, ihre Leidenschaften und Abgründe zeichnet er detailliert nach. So fasziniert Hila
Fahima als blutjunges Mädchen, deren Tragödie sichtbar gemacht wird, ihre zerstörerische Liebe, den Weg in den Wahnsinn. In der Hochzeitsnacht ersticht sie ihren ungeliebten Gemahl und obwohl
eine Mörderin gibt es doch Verständnis für ihren Befreiungsschlag. Sie verliert nicht an Sympathie. Die Oper ist nicht nur eine Liebestragödie, sie enthält auch soziologische und politische
Komponenten. Die negativen Auswirkungen des Patriarchats bekommt Lucia zu spüren. Ihre Selbstbestimmung ist nicht vorgesehen. Im 19. Jahrhundert galt die Frau als Besitz, musste sich unterordnen
und hatte keine Rechte.
Mit hellem Timbre vom Lyrischen bis zum Hochdramatischen gelingt Hila Fahima jeder Ton. Mühelos erreicht sie die Spitzentöne, setzt immer wieder neue Glanzpunkte und lässt mit strahlend klarer
Stimme die Koloraturen in der Wahnsinnsarie erklingen, so als entschwebe sie der Realität. Beeindruckend ihr „Dialog mit der Glasharmonika“. Vom Publikum wird sie dafür begeistert gefeiert. Ihr
zur Seite: Carlos Cardosa der sich als Edgardo mit markantem Tenor überzeugt. Authentisch verkörpert er den innerlich zerrissen jungen Mann, der bereit ist der Liebe wegen sich mit seinen Feinden
auszusöhnen, aber schnell in alte Verhaltensmuster zurückfällt und blutige Rache schwört.
Ein weiterer Höhepunkt: Iwan Krutikow als Enrico, der mit kräftigem Bariton seiner Schwester zusetzt und verdeutlicht, wie Macht in einer Männergesellschaft funktioniert.
Dimitry Ivanchey präsentiert sich glaubhaft als "Arturo" und zeigt dessen Zweifel an Lucias Zuneigung.
Baurzhan Anderzhanov als Raimondo imponiert in der Partie mit markantem Bass. Gestik und Gesang offenbaren sein Unwohlsein mit der Situation und die Bestürzung über Lucias Tat.
Alle Sänger*innen beeindruckten durch hervorragende Leistungen, machten den Belcanto Abend zu einem rauschenden Fest.
Unter der Leitung von Giuseppe Finzi weben die Essener Philharmoniker einen betont dramatischen Klangteppich. In der Intonation der abwechslungs- und kontrastreichen Partitur rücken die
ausdrucksstarken Instrumente: Hörner, Harfe, Glasharmonika besonders in den Fokus. Ein wunderbarer Genuss, das Harfensolo von Gabriele Bamberger.
Auch Chor und Extrachor (Leitung: Jens Bingert ) sangen und spielten auf hohem Niveau.
Das Publikum honoriert die großartigen Leistungen mit begeistertem Applaus und Standing Ovation.