Dortmund
„Im Weißen Rössl"
Uraufführung: 8. November 1930
Musik von Ralph Benatzky
Singspiel von Hans Müller und Eric Charell
(frei nach dem Lustspiel von Blumenthal und Kadelburg)
mit musikalischen Einlagen von Robert Stolz, Bruno Granichstaedten,
Robert Gilbert und Hans Frankowski
Neuinszenierung
Musiktheater Dortmund
Premiere 6. September 2008
Musikalische Leitung: Ralf Lange
Inszenierung: Markus Kupferblum
Dramaturgie: Verena Harzer
Kostüme Ingrid Leibezeder
Choreinstudierung Ramseh Nair
Dortmunder Publikum huldigt „Kaiser Franz"
„Das weiße Rössl" feierte am Samstag (06.09.08) in Dortmund Premiere.
Nicht erst seit Kohls Zeiten ist der Wolfgangsee ein bekanntes und beliebtes Urlaubsziel für viele Erholungssuchende und gestresste Touristen. Der See und „das „Gasthaus zum weißen Rössl sind durch die Operette eng miteinander verwoben und bilden in den Köpfen vieler Menschen eine unverkennbare Einheit.
Ohrwürmer, wie „Es muss was Wunderbares sein, von dir geliebt zu werden" oder "was kann der Sigismund dafür, dass er schön ist", haben sich ihnen fest eingeprägt.
Die Rezeptionsgeschichte der Operette verlief wechselartig. Denn mit dem „weißen Rössl" verbinden sich auch der Begriff der „Heimatschnulze" und ein „Österreichbild", welches mit der Realität wenig übereinstimmt. Diese Assoziationen entstanden durch eine Kategorie von Filmen, „den Heimatfilmen", die sich in den Nachkriegsjahren größter Beliebtheit erfreuten. Ideologisch thematisierten sie eine heile Welt und waren mit Klischees überfrachtet. Die Verfilmung des weißen Rössl mit Peter Alexander und Waltraud Haas fällt in dieses Genre. Der Film war ein Publikumsmagnet und Anfang der 60er Jahre sehr erfolgreich.
Regisseur Kupferblums Intention ist es, an die Ursprungsform der Operette von Eric Charell anzuknüpfen. Charell war Ende der 1920er Jahre einer der erfolgreichsten Revue- Produzenten in Berlin. Er inszenierte das Singspiel 1930 als eine Art Revue Operette nach Broadway Vorbild mit ironisch-frivolen Charakter.
Markus Kupferblums Inszenierung konfrontiert das Publikum mit „Menschentypen", denen er Charaktereigenschaften zuordnet, die uns im Alltag ständig begegnen und mit denen eine Identifikation relativ leicht zu sein scheint.
Dabei werden satirisch-kabarettistische Persönlichkeitsmerkmale bloß gelegt, die sowohl große Heiterkeit als auch tiefe Nachdenklichkeit auslösen können. Primär ist die Geschichte um den verliebten Kellner Leopold banal. Erst durch die Gegenüberstellung von Urlaubskarten-Genre mit Heimatidylle, Dirndlromantik, Lederhosen und Schuhplattlertanz und der Problematik des Massentourismus in Verbindung mit Kapitalistischen Auswüchsen und Wirtschaftskriminalität entsteht Spannung und ein schwungvolles Spiel wird möglich. Zum Ende hin wendet sich alles zum Guten und die Welt ist wieder in Ordnung.
Mit der Wahl des Ensembles hat der Regisseur das große Los gezogen. Obwohl die Dialoge und Pointen nicht neu sind und insofern auch keine Überraschungseffekte bei den Besuchern auszulösen vermögen, vermitteln sie doch große Heiterkeit.
Denn die Darsteller verstehen es meisterhaft, sie witzig und umwerfend komisch vorzutragen. Steffen Scheumann als ständig nörgelnder Hosenfabrikant Giesecke hat augenscheinlich seine Paraderolle gefunden. Mit koddriger Ausdrucksweise und Berliner Schnauze residiert er samt charmanter Tochter im weißen Rössl und wütet gegen seinen Kontrahenten.
Hans Borck als verliebter Dr. Siedler, seines Zeichen Jurist und kühl taktierend, kommt mit Taucherflossen daher. Er meistert seine Rolle mit Bravour. Martina Schilling als Ottilie ist ganz mondäne Tochter, die sich immer wieder bemüht den cholerischen Vater auf Kurs zu bringen. Schmunzeln kann man über den „sparsamen Professor Hinzelmann", der so gerne mit Tochter Klärchen (Julia Giebel) auf Reisen geht. Die Rolle schein Edgar Schäfer auf den Leib geschnitten zu sein. Jürgen Zäther parodiert glänzend den „jungen Sülzheimer. Die Figur des schönen Sigismund ist für ewig in die Annalen eingegangen. Das lispelnde Klärchen (Julia Giebel) und der schöne Sigismund (Jürgen Zäther) sind ein umwerfend komisches Paar.
Cordula Schuster als Josepha Vogelhuber gibt eine resolute Wirtin ab, die trotz Verliebtheit den Durchblick nicht verliert. Jeff Martin singt mit dahinschmelzendem Tenor, einfach wunderbar. Und Kathi, die Briefträgerin" gibt der Revue den perfekten Rahmen, weil sie so überaus schön jodeln kann.
Ralf Lange und die Philharmoniker spielen präzise und in gewohnter Harmonie.
Chor, Kinderchor und das Ballett erfreuen immer wieder mit Einlagen und Gags. Selbst das Publikum bleibt nicht verschont und wird in die Handlung mit eingebunden. Stehend und mit viel Enthusiasmus singt es die Hymne für Kaiser Franz.
Fazit: Ein begeistertes Publikum mit Standing Ovation für beste dreistündige Unterhaltung mit einem hinreißendem Ensemble und einer farbenfrohen, abwechslungsreichen und phantasievollen Choreographie.
(HA-KRU)