Gelsenkirchen

Zar und Zimmermann (Albert Lortzing)

3.4.2011

 

Musikalische Leitung: Heiko Mathias Förster

Inszenierung:             Roland Schwab

 

Albert Lortzing (1801-1851), Sohn bürgerlicher Eltern, war ein Multitalent. Er arbeitete als Sänger, Schauspieler, Dirigent, Textdichter und Komponist und war über 100 Jahre lang der in Deutschland, nach Verdi und Mozart, meist inszenierte Opernkomponist.

 

"Zar und Zimmermann" war seine zweite komische Oper. Lortzing lässt die Oper zum Ende des 17. Jahrhunderts in der holländischen Provinz spielen; sie lässt uns aber einen Blick werfen auf das autoritäre europäische Polizeisystem des >Vormärz<, im 19. Jahrhundert, "wo Parodie, Witz und Traum zu letzten Bürgerwaffen werden."

Dabei stützt er sich auf das französische Lustspiel "Der Bürgermeister von Saardam" oder "Die zwei Peter" von Boirie (deutsch von C. Römer), das auf einer historischen Begebenheit basiert. Es geht um ganz oben (Zar Peter aus Russland) und ganz unten (um Peter, einen einfachen russischen Mann, einen Deserteur, einen Vaterlandsverräter).

 

Zar Peter weiß um die Rückständigkeit seines Landes und beschließt, es im Sinne des technischen Fotschrittes zu modernisieren und damit sein Volk in eine bessere Zukunft zu führen. Sein Wahlspruch lautet: >Die alten Bärte müssen ab<.

Der Zar reist also inkognito in die kleine holländische Hafenstadt Saardam, um bei einem Bootsbauer das Zimmermannshandwerk zu erlernen.

Durch das ungehobelte Verhalten des eitlen und selbstgefälligen Bürgermeisters Bett von Saardam und andere Vorfälle, durch die das Inkognito des Zaren gefährdet ist, wird die Lage für ihn schließlich unerträglich. Er verlässt die Kleinstadt und setzt seine Ausbildung in Amsterdam fort.

 

In der komischen Oper "Zar und Zimmermann" geht es um die Zeit in Saardam. Hier trifft Zar Peter, Herrscher aller Russen, auf einen 2. Peter, einen einfachen Russen, einen Fahnenflüchtigen, der für den Zar gehalten wird. Durch das Verhalten des Bürgermeisters von Saardam, einen eitlen Dummkopf, der erfahren hat, dass sich der Zar in seiner Stadt aufhalten soll und den einfachen Mann für den Zaren und umgekehrt, den Zaren für den Deserteur hält, kommt es immer wieder zu Verwechslungen. Auch diplomatische Aktivitäten zwischen dem französischen Diplomaten Châteauneuf und dem Zaren, sowie einem englischen Lord, der sich auf den Bürgermeister Bett verlässt, führen zu weiteren Verwirrungen.

 

Die Story und die Musik Lortzings, die insbesondere im deutschsprachigen Raum in der Vergangenheit zu großen Erfolgen geführt hatten, hätten genug Möglichkeiten geboten, eine spritzige und unterhaltsame Aufführung zu inszenieren. Leider ist das im Gelsenkirchener Musiktheater nicht gelungen.

 

Der Zar wurde zwar, wie die Geschichte es erzählt, für den einfachen Arbeiter und russischen Deserteur Peter gehalten. Tatsächlich war die Distanz aber überall zu erkennen. So gab es Saufgelage und viele eindeutige sexuelle Anspielungen, die offenbar auf das Leben des Zaren in Russland verweisen sollten, aber nicht auf einen Zaren, der inkognito unterwegs war. Auch in der Kleidung unterschied sich der inkognito reisende Zar, bis auf wenige Ausnahmen, deutlich von den Arbeitern.

Darüber hinaus ging die Dramaturgie offenbar davon aus, dass man den Zuschauern deutlich machen musste, dass Saardam bzw. Amsterdam zu den Niederlanden gehört. Das fing bei den orangefarbenen Vorhängen an und hörte bei den Zimmerleuten auf, die sich vermutlich damals, einheitlich gekleidet in orangefarbenen Anzügen der Müllabfuhr der deutschen Gegenwart tummelten.

Leider erschloss sich auch der Witz hinter der Idee der Dramaturgie nicht, die einheimischen Arbeiter, um polizeiliche Kontrollen zu erleichtern, mit einheitlich weißen Unterhosen, die an hervorragender Stelle mit einer Tulpe versehen waren, auszustatten. Da die Polizei offenbar schon vorher wusste, wen sie zu finden hatten, brauchten die Protagonisten ihre Hose nicht herunter zu lassen.

Neben diesen Unerfreulichkeiten gab es viele Längen und dümmliche weitere sexuelle Eindeutigkeiten, wo man als Zuschauer gehofft hatte, die deutschen Theater hätten diese Phase der platten, oberflächlichen und sexistischen "Komik" inzwischen hinter sich gelassen.

 

Diese und viele andere Szenen waren absolut nicht komisch und auch nicht unterhaltend und wurden der komischen Oper Lortzings nicht gerecht. Darüber half auch nicht das Bemühen der Schauspieler und Sänger und die bekannten "Ohrwürmer", wie "Lebe wohl mein flandrisch Mädchen...", sowie die Leistungen des Orchesters hinweg. Schade.

 

Hierzu eine frühere Einschätzung zu Lortzings Humor: "Lortzings wirkungssicherer Humor hält sich freilich, bei aller Bewährung mimischen Urtriebs, in bürgerlichen Grenzen; er weiß die Heiterkeit geschickt und wirksam mit empfindsamen Zügen zu mischen, wie seine Zeit es liebte. In ihm verkörpert sich das musikalische Biedermeier in seiner liebenswürdigsten, auch heute noch ansprechenden Gestalt.".

 

Es gab zurückhaltenden, aber freundlichen Applaus für die Akteure, wobei man den Eindruck hatte, dass das Publikum sich vermutlich auch eine traditionellere Inszenierung gewünscht hätte.

EKla

 

Nächste Vorstellungen: 07.05, 12.05. 20.05.

 

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