Musiktheater Gelsenkirchen

 

Die tote Stadt

Erich Wolfgang Korngold

Oper in drei Bildern nach Georges Rodenbachs "Bruges la morte"

von Paul Schott

 

Premiere: 27. Februar 2010

 

Regie Thilo Reinhardt

Musik: Heiko Mathias Förster


(20. 03. 2010)

 

Erst 23 Jahre alt war Wolfgang Korngold, als er die Oper „Die Tote Stadt" schrieb. In Gelsenkirchen wurde sie jetzt von Thilo Reinhardt neu inszeniert. Ein beklemmendes Psychodrama, doch nicht ohne Hoffnung auf einen positiven Ausgang.


Paul trauert um seine verstorbene Frau Marie. Ihren Tod hat er nie überwunden. In seinem großen Schmerz existiert die Umwelt nicht mehr für ihn. Er idealisiert Marie, treibt einen Kult um die Tote. Das ändert sich, als Paul der Tänzerin Marietta begegnet. In ihr glaubt er seine verstorbene Frau wiederzuerkennen. Ein verwirrendes Spiel zwischen Realität und Irrationalität beginnt.


Paul haust in einem häßlichen Raum. Spuren von Verwahrlosung sind nicht zu übersehen. Die rechte Tür ist zugemauert. Die Inszenierung zeigt den Protagonisten während seines  langanhaltenden Traumes, indessen Verlauf sich die Grenzen zwischen Realität und Fiktion immer stärker verwischen. Mittels Surrealistischer Bildebenen transportiert die Regie  seine Wahnideen auf die Bühne. Das Geschehen auf der Bühne eskaliert mit dem Tod Mariettas.

Plötzlich erwacht Paul aus der Traumsphäre. Das Traumerlebnis hat, sichtbar für die Zuschauer, die Erlösung aus der Erstarrung bewirkt. Offensichtlich ist, Paul muss fortgehen aus der Stadt, in der es genauso düster und trostlos aussieht, wie in seinem Inneren. Die belastende Vergangenheit muss er endgültig hinter sich lassen.


Kinder spielen in Wasserpfützen vor den heruntergekommenden Fassaden der Stadt Brügge. Das beeindruckende Bild symbolisiert einserseits Verfall und Tod, andererseits aber auch Hoffnung. Denn das Wasser als Quell allen Lebens, verleiht die notwendige Energie um ein Weiterleben möglich zu machen und illustriert: Abschied beinhaltet Hoffnung auf einen Neuanfang.


Zum Zeitpunkt der Entstehung der Oper war Sigmund Freuds Entdeckung der Psychoanalyse in aller Munde. Dass die Oper, sozusagen als Spiegel der gesellschaftlichen Zustände ihrer Zeit, tiefenpsychologische Momente enthält und psychische Probleme offenlegt, liegt auf der Hand.

 

Die seelischen Qualen und die Einsamkeit des Verzweifelten legt die Inszenierung skrupellos offen. Im übertragenen Sinn ist das Unglück Pauls mit dem Leid Korngolds und dem der Menschheit  allgemein vergleichbar. Der Komponist musste mit den veränderten gesellschaftlichen Bedingungungen in der Wiener Gesellschaft zurecht kommen, die für ihn existentiell bedrohend waren. Generell leiden Menschen an Ängsten, wenn sie mit Verlusten unterschiedlichster Art konfrontiert werden. Dass mit Veränderungen aber auch positve Wirkungen erreicht werden und damit auch Hoffnungen auf einen Neuanfang verbunden sein können, versucht der Regisseur deutlich zu machen.

Die Inszenierung spricht den christlichen Erlösungsgedanken an, nimmt aber auch Bezug auf die buddistische Religion und verweist auf den ewigen Kreislauf des Lebens, auf Werden und Vergehen.

 

"Die tote Stadt" enthält operetternhafte Elemente. Unüberhörbar sind die Einflüsse von Richard Strauss und Puccini. Sie bedient sich einer expressiven Sprache, die die Psychologie der Handlung detailgenau wieder gibt. Die Identifikation der psychischen Elemente fällt jedoch nicht immer ganz leicht.


Burkhardt Fritz in der Rolle des Protagonisten Paul, gelingt es vortrefflich, dessen Zerrissenheit zu verkörpern. In Gelsenkirchen hat der stimmstarke Sänger mit dem kraftvollen Tenor eine große Fangemeinde. Seine schwierige Rolle meistert er mit Bravour, ist  in den Höhen ohne Schwächen.  Auch Almuth Herbst als Hausangestellte Brigitta, begeistert. Mit klangschöner Stimme und großer Ausdruckskraft, betört sie das Publikum. Beeindruckend die Leistung von Bjørn Waag als Frank. Besonders in den Mittellagen überzeugt sein Bariton. Viel Temperament strahlt Majken Bjerno als Marietta aus. Ihre Stimme klingt leider in den Höhen manchmal ewas schrill


Viel Beifall für das gesamte Ensemble und die neue Philharmonie unter der Leitung von Mathias Förster. (U-Ha)