Düsseldorf
Gottfried Greiffenhagen
"Die Comedian Harmonists"
Musikalische Einrichtung: Franz Wittenbrink
Regie: Mathias Schönsee
Bühne und Kostüme: Dietrich von Grebmer
Musikalische Einstudierung: Klaus-Lothar Peters
Dramaturgie: Oliver Held
Berlin 1927. Die Zeiten sind unruhig. Mit der Wirtschaft geht es bergab. Und die Nationalsozialisten stehen bereits mit einem Fuß in der Tür. Keine
besonders guten Voraussetzungen um eine Musikgruppe zu gründen. Doch das stört „Harry Frommermann“ wenig. Er hat eine Vision.
Harry, gerade ins Erwachsenenalter gestolpert, ist besessen davon eine Boygroup zu gründen. „The Revellers“, eine amerikanische Formation, ist sein großes
Vorbild. Er sucht nach geeigneten Musikern für seine Idee. Robert Biberti ist der Einzige von über 70 Bewerbern, der sich für das Projekt eignet. Denn er verfügt über eine enorm schöne
Bassstimme. Nun geht es Schlag auf Schlag. Biberti bringt aus dem Schauspielhaus den Bulgaren Ari Leschnikoff und den Polen Roman Cycowski mit. Alle drei singen im Opernchor. Später kommen noch
Erich Collin und der Piano spielende Erwin Bootz, der gerade sein Musikstudium abgeschlossen hat, hinzu. Mit spritzigen Liedern und frechen Texten will das Ensemble das Publikum begeistern. Sie
proben intensiv bis zur Erschöpfung. Die ständige Geldnot macht ihnen sehr zu schaffen, denn nur Bootz verfügt über ein festes Einkommen. Harry ist es, der die Anderen auch in tiefster
Resignation immer wieder aufbaut und zum Weitermachen veranlasst. Eines Tages erhalten sie einen Anruf. Sie dürfen im Berliner Vergnügungspalast vorsingen. Der Auftritt wird ein Reinfall. Ihr
Stil entspricht nicht den Erwartungen des Hauses. Sie lassen sich jedoch nicht entmutigen und haben Glück, Levy, ein Musikagent, vermittelt sie an einen Varietekönig, dem sie ihr gesamtes
Repertoire vortragen dürfen. Ihre Karriere kommt ins Rollen. Mit schwarzpolierten Schuhen, gestriegelten Haaren und elegantem Frack treten sie auf. Das schlagkräftige Sextett spielt vor
ausverkauften Häusern, Tourneen im In- und Ausland schließen sich an. Der Durchbruch ist geschafft.
Die Inszenierung setzt die Gründung und Auflösung der legendären Comedian Harmonists, bestehend aus fünf Sängern und einem Pianisten in Szene.
Die Performance mit den Schauspielern: Benjamin Hoffmann (Robert Reichinek), Moritz von Treuenfels, Dominik Raneburger, Andreas Helgi Schmid, Heisam Abbas und Danny Exnar zeigt die beispiellose
Karriere der Vokalgruppe, die mit ihren nicht leicht zu intonierenden A-cappella-Liedern zu umjubelten Stars avancieren. Es gelingt ihnen vortrefflich, die Charaktere der ganz unterschiedlichen
Sängerpersönlichkeiten herauszubilden. Ob solo oder im Chor, sie begeistern mit exzellent vorgetragenen Vokalgesang, stimmgewaltigen Arrangements und Komik. Die schönen Evergreens: »Ich bin ein
kleiner grüner Kaktus«, »Wochenend und Sonnenschein« oder »Veronika der Lenz« ist da, präsentieren sie mit Bravour.
Bei Andreas Helgi Schmid in der Rolle des Harry Frommermannns laufen von Beginn an alle Fäden zusammen. Mit seiner unglaublichen Disziplin, seinem eisernen
Willen und dem unerschüttlichen Glauben an den Erfolg motoviert er die Gruppe stets aufs Neue, nicht aufzugeben. Schmid verkörpert den Initiator der Gruppe, sehr authentisch. Heisam Abbas
als Biberti, punktet als Sänger und geschäftstüchtiger Verhandler, wenn es um Verträge und Gagen geht. Gegen den Vorwurf der persönlichen Vorteilsnahme muss er sich öfter wehren. Danny Exnar als
eleganter Klavierspieler Booz, integriert sich nach anfänglichen Querelen schnell in die Gruppe. Moritz von Treuenfels, der den Intellektuellen Collin mimt, nervt mit seinem
Französischunterricht, da er ständig die unkorrekte Aussprache seiner Freunde reklamiert. Und Benjamin Hoffmann als verträumter Ari Leschnikoff besitzt viel komödiantisches Talent und singt mit
Dominik Raneburger, in der Rolle des Roman J. Cycowoski und dem übrigen Ensemble mit viel Inbrunst. Gleich in mehreren Rollen brilliert Lutz Wessel, ob umtriebiger Musikagent, feister NS Mann
oder tundige Vermieterin. Er ist perfekt.
Dass Erfolg und Popularität nicht immer nur Positives mit sich bringen, veranschaulichen die Ensemblemitglieder recht deutlich. Sie zeigen, wie Neid,
Misstrauen und Geltungsdrang früh in die Gruppe einziehen und die Atmosphäre vergiften.
Doch trotz aller Differenzen, die Formation versöhnt sich wieder. Als eines Tages die Nerven blank liegen und von Trennung die Rede ist, stimmen sie spontan
und wie aus einem Mund das Lied: „Ein Freund, ein guter Freund“ an..
Nach der Machtübernahme der Nazis geraten die Comedian Harmonists in Schwierigkeiten. Die Streitigkeiten nehmen zu. Drei von ihnen: Frommermann, Cycowski
und Leschnikoff sind »Nichtarier«. Ihnen ist es verweigert, weiter mit den „Ariern« aufzutreten. SA Bonze »Lutz Wessel« wedelt mit dem Erlass der Reichsmusikkammer. Die Auflösung der Gruppe
ist nicht mehr zu stoppen. Die drei »Nichtarier« verlassen nacheinander still die Bühne. Ein tragischer Moment. Der deprimierendste der Inszenierung.
Mit zwei Zugaben verabschiedet sich das umjubelte Ensemble
(Ursula Harms-Krupp)